Rz. 77

(Nur) theoretisch kann es sein, dass Miteigentümer für eine gemeinschaftliche Maßnahme ohne die Möglichkeit individueller Nutzung stimmen, auch wenn sie diese alleine bezahlen müssen; auch für diesen Fall gelten die nachfolgenden Ausführungen. Realistisch zu erwarten ist die Zustimmung und Bezahlung durch einzelne Eigentümer dann, wenn die bauliche Veränderung die Möglichkeit individueller Nutzung eröffnet.

 

Rz. 78

 

Beispiel:

Einige Miteigentümer beantragen, dass im Außenbereich ein Schuppen zum Abstellen von Fahrrädern errichtet wird.

 

Rz. 79

Für die Vorbereitung der Beschlussfassung gelten auch hier grundsätzlich dieselben Anforderungen wie für Beschlüsse über Erhaltungsmaßnahmen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Verwalterpflichten auch dann weniger desto weniger weit gehen dürften, je mehr die Maßnahmen im Individualinteresse liegen und initiiert werden (→ § 10 Rdn 244). Ist im Beispielsfall zu erwarten, dass einzelne Eigentümer damit einverstanden sind, dass nur sie (die Bauwilligen) die Baumaßnahme bezahlen müssen (und dann auch exklusiv nutzen dürfen), falls der Beschluss die qualifizierte Mehrheit verfehlt, kann ohne die im vorstehenden Abschnitt empfohlene Bedingung über den Beschlussantrag abgestimmt werden. Nur kann in diesem Fall ausnahmsweise nicht zugleich über die Mittelaufbringung und Kostenverteilung beschlossen werden, weil es vom Ergebnis der Abstimmung abhängt, ob alle oder nur die zustimmenden Eigentümer zahlungspflichtig sind. Ergibt die Abstimmung nur eine einfache Mehrheit, bezahlen nur die Ja-Sager die Maßnahme. Es ist zwar nicht zwingend, anschließend noch einen entsprechenden (Finanzierungs-)Beschluss (ggf. in Gestalt der Anforderung einer Sonderumlage von den zahlungspflichtigen Ja-Sagern) zu fassen, aber ratsam, um die Zahlungspflicht von vornherein außer Streit zu stellen ist (→ § 4 Rdn 46). Wird die qualifizierte Mehrheit erreicht, steht die Kostentragung aller fest; aber auch dann ist es sinnvoll, noch einen entsprechenden Finanzierungsbeschluss zu fassen.

 

Rz. 80

Muster 4.6: Abstimmung über bauliche Veränderung (ohne Bedingung der Kostentragung aller)

 

Muster 4.6: Abstimmung über bauliche Veränderung (ohne Bedingung der Kostentragung aller)

Hinweis des Verwalters vor der Abstimmung:

"Wer jetzt für die Maßnahme stimmt, muss damit rechnen, dass nur er sie bezahlt. Es bezahlen nämlich nur diejenigen, die dem Beschluss zustimmen (keine Kostenumlage nach Miteigentumsanteilen auf alle Wohnungseigentümer), außer wenn die qualifizierte Mehrheit gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG (mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und mindestens die Hälfte aller Miteigentumsanteile) zustande kommt. Der Beschluss wird als zustande gekommen verkündet, wenn eine einfache Mehrheit (mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen) zustande kommt."

Antrag:

Im Außenbereich wird ein Schuppen zum Abstellen von Fahrrädern errichtet. [Nähere Beschreibung durch Bezugnahme auf ein Angebot, eine Beschreibung, Skizze usw.] Über die Mittelaufbringung wird in einem Folgebeschluss entschieden.

 

Rz. 81

Kommt der Beschluss zustande, ohne dass die qualifizierte Mehrheit des § 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG erreicht wird, sind die Ja-Sager nicht nur zur Kostentragung verpflichtet, sondern haben gem. § 21 Abs. 3 S. 2 WEG auch das exklusive Nutzungsrecht am Gegenstand der baulichen Veränderung (im Beispiel also am Fahrradschuppen). Gem. § 21 Abs. 4 WEG müssen sie anderen Wohnungseigentümern aber später auf deren Verlangen hin "nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich" die Beteiligung, also die Mitbenutzung gestatten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Abschnitt über die Ladestationen verwiesen (→ § 4 Rdn 153); in jenem Zusammenhang kommt der Anspruch auf nachträgliche Gestattung der Mitbenutzung am ehesten zum Tagen.

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