A. Allgemeines

 

Rz. 1

Kernvorschrift für das Fahreignungsseminar, das in seiner jetzigen Fassung wohl manche Überraschung des Vermittlungsausschusses birgt, ist § 4a StVG (siehe § 7 Rdn 4). Danach sollen Fahrerlaubnisinhaber durch die dort vorgesehenen Maßnahmen des neuen Fahreignungs-Bewertungssystems und insbesondere durch das neue Fahreignungsseminar besser zur Einhaltung der Verkehrsregeln angehalten werden.

 

Rz. 2

Ziel des Gesetzgebers war es, die persönliche Sicherheit weiter zu erhöhen und die Anzahl der Straftaten zu senken. Weiteren Regelverstößen (Straftaten wie Ordnungswidrigkeiten) soll hierdurch vorgebeugt werden.[1]

 

Rz. 3

Besonders merkwürdig mutet aber an, was aus dem Gesetzesgedanken geworden ist:

Zitat

"Die Kosten für das geplante Fahreignungsseminar sollen nicht höher liegen als die Kosten für das bisherige angeordnete Aufbauseminar und die verkehrspsychologische Beratung."

 

Rz. 4

Inzwischen wird der zu entrichtende Betrag auf das Dreifache geschätzt und der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme moniert, dass weder die Wirksamkeit des Fahreignungsseminars erwiesen sei, noch die Kosten in Relation zu bringen wären.[2] Es wurde daraufhin eine Evaluation empfohlen. Nun ist im Gesetz für das Fahreignungsseminar eine Evaluationsphase von 5 Jahren vorgesehen (§ 4b StVG, siehe § 7 Rdn 5). Eine Internetrecherche avisiert Kosten von regelmäßig 250 EUR für die verkehrspädagogische Maßnahme, dann auch Gesamtpakete größerer Anbieter mit Kosten von insgesamt 400 EUR. Allerdings wird immer suggeriert, dass ein Höchststand von 5 Punkten vorliegen muss. Die wichtige, man darf sogar sagen essentielle Frage nach der Anrechenbarkeit wird im Netz aber nicht beantwortet: Wird auch bei einem später hinzukommenden Punkt (Tattagprinzip) die Anrechnung erfolgen?

[1] BR-Drucks 810/12, S. 48.
[2] BR-Drucks 810/12, S. 48 f.

B. Ausgestaltung der Seminare

I. Teilmaßnahmen

 

Rz. 5

Das Fahreignungsseminar soll, wie bisher auch das Aufbauseminar, verkehrsauffällige Kraftfahrer dabei unterstützen, ihr Fahrverhalten zu ändern und sich zukünftig im Straßenverkehr regelkonform zu verhalten. Ein großer Unterschied zum Aufbauseminar besteht darin, dass das Fahreignungsseminar aus zwei Teilen bestehen soll:

Teil 1 – verkehrspädagogische Teilmaßnahme: Informationsteil (hierzu siehe Rdn 13), der von Fahrlehrern durchgeführt wird und
Teil 2 – verkehrspsychologische Teilmaßnahme: Beratungsteil (hierzu siehe Rdn 19), der von Verkehrspsychologen geleitet wird.

II. Freiwilligkeit

 

Rz. 6

Mit der Ermahnung nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und der Verwarnung nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 StVG ergeht der Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a StVG freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt dann zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug – mehr – gewährt wird. Seitens des Gesetzgebers war nicht beabsichtigt, den Fahrerlaubnisinhaber schon mit der Vormerkung von dieser Möglichkeit (beispielsweise in den Bescheiden) zu informieren.

 

Rz. 7

Geplant war, dass die Teilnahme am Fahreignungsseminar von der zuständigen Behörde angeordnet wird, sofern die Stufe der Verwarnung erreicht ist. Wenn die Anordnung der Teilnahme nicht befolgt wird, sollte die Fahrerlaubnis so lange entzogen werden, bis die Teilnahmebescheinigung bei der Behörde vorgelegt wird. Diese Vorstellung konnte sich im Vermittlungsausschuss nicht durchsetzen – vermutlich aufgrund der fraglichen Wirksamkeit des Fahreignungsseminars. Nunmehr ist ausschließlich eine freiwillige Teilnahme vorgesehen. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer erfolgreichen Evaluation – deren Kriterien bislang aber nicht bekannt sind – der Gesetzgeber als konsequente Folge diese Ursprungsidee wieder umsetzen wird, wenn die Stufe der Verwarnung erreicht sein sollte.

Der Gesetzgeber hat die Gesamtdauer des Fahreignungsseminars übrigens nicht bestimmt. Ebenso unbestimmt ließ er die Reihenfolge der beiden Teilmaßnahmen. Insoweit dürfte in der Praxis bzgl. der Dauer eines Fahreignungsseminars (mit beiden Teilmaßnahmen) von vier bis sechs Wochen auszugehen sein.

 

Rz. 8

Das Fahreignungsseminar, die Vorschriften hierzu und der Vollzug werden von der Bundesanstalt für Straßenwesen wissenschaftlich begleitet und evaluiert, § 4b StVG (siehe § 7 Rdn 5), § 31d FahrlG (siehe § 7 Rdn 17). So soll auch mittels der Evaluierung ermittelt werden, ob das Fahreignungsseminar eine verhaltensverbessernde Wirkung im Hinblick auf die Verkehrssicherheit hat. Die Bundesanstalt für Straßenwesen legt das Ergebnis der Evaluierung bis zum 1.5.2019 dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in einem Bericht zur Weiterleitung an den Deutschen Bundestag vor. Kritisch ist anzumerken ist, dass die Kriterien der Qualitätssicherung und -prüfung (noch) nicht festgeschrieben sind.

III. Punktabzug

 

Rz. 9

Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie der zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge