A. Einleitung

 

Rz. 1

Der Untertitel 2 regelt in den §§ 650p bis 650t BGB infolge Art. 1 Nr. 25 BauVertrRRG neu in das BGB aufgenommene Spezialvorschriften zum Architekten- und Ingenieurvertrag[1] für nach dem 31.12.2017 abgeschlossene Verträge (vgl. Art. 229 § 39 EGBGB). Damit ist der Architekten- und Ingenieurvertrag als eigener Vertragstyp erstmals im BGB eigenständig geregelt worden. Abweichende Vereinbarungen sind – insbesondere in Bezug auf die konkreten Unternehmerpflichten bzw. das (Sonder-)Kündigungsrecht (§ 650r BGB) – grundsätzlich zulässig.[2]

 

Rz. 2

Die rechtliche Einordnung des Architekten- und Ingenieurvertrags ist aufgrund der Vielgestaltigkeit der Aufgabenbereiche des Architekten und Ingenieurs nicht einfach. In Betracht kommen könnte in Bezug auf einige Aufgaben auch eine Qualifikation als Dienstvertrag (§ 611 BGB). Gleichwohl hat sich der BGH durchweg für eine Unterstellung sowohl des Architekten-[3] als auch des Ingenieurvertrags unter das Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) entschieden[4]  – und zwar mit der Begründung, dass

die Tätigkeit des Architekten oder Ingenieurs der Herbeiführung eines "Erfolges" i.S.v. § 631 BGB diene ("Herstellung eines Bauwerks"), und dass
die Anwendung des Werkvertragsrechts auf der Rechtsfolgenseite (im Vergleich zum Dienstvertragsrecht) zu sachgerechteren Ergebnissen führe.[5]
 

Rz. 3

Die Rechtsprechung hat eine Qualifikation als "gemischter Vertrag" mit der Begründung abgelehnt, dass dies zu einer "nicht mehr beherrschbaren Anwendung unterschiedlicher Regelungen der einzelnen Vertragstypen" führen würde und damit in letzter Konsequenz in der Rechtsanwendung zu erheblicher Rechtsunsicherheit.[6]

 

Rz. 4

Die (bloße) Anwendung des Werkvertragsrechts führt jedoch zu "erhebliche(n), teilweise unverhältnismäßig belastende(n) Konsequenzen"[7] ("insbesondere mit Blick auf den gesamtschuldnerischen Haftungsverband zwischen Architekten und Bauunternehmern")[8]  – weswegen der Gesetzgeber sich nunmehr im Rahmen der Reform des Bauvertragsrechts dafür entschieden hat, die Regelungen der §§ 631 ff. BGB nicht uneingeschränkt auf Architekten- und Ingenieurverträge zur Anwendung gelangen zu lassen, "sondern den Besonderheiten dieses Vertragstyps (auch) durch spezielle Regelungen Rechnung" zu tragen.[9]

 

Rz. 5

Dem besonderen Charakter des "werkvertragsähnlichen"[10] Vertragstyps "Architekten- und Ingenieurvertrag" Rechnung tragend, werden die Sonderregelungen in einem eigenständigen Untertitel 2 (Architekten- und Ingenieurvertrag) des Titels 9 (Werkvertrag und ähnliche Verträge) zusammengefasst.[11]

[1] Zu diesem näher Dammert, BauR 2017, 431; Deckers, ZfBR 2017, 523; Fuchs, NZBau 2015, 675; Kniffka, BauR 20171846; Motzke, NZBau 2017, 251.
[2] Palandt/Sprau, § 650p BGB Rn 1.
[3] BGH NJW 1960, 431: Zumindest jene Verträge, die alle Architektenleistungen von der Planung bis zur örtlichen Bauaufsicht umfassen, sind Werkverträge i.S.v. § 631 BGB. Im Nachgang hat der BGH (NJW 1982, 438) entschieden, dass auch solche Architektenverträge als Werkverträge zu qualifizieren sind, nach denen der Architekt nur die örtliche Bauaufsicht übernimmt, an der Planung aber nicht selbst beteiligt ist.
[4] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 67.
[5] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 67.
[6] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 67.
[7] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 67.
[8] Dammert (Das neue Bauvertragsrecht, § 4 Rn 4) unter Bezugnahme auf Dammert, in FS für Ganten, S. 3 ff.
[9] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 67.
[10] Näher jurisPK-BGB/Stelzner, § 650p Rn 12 ff.
[11] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 67.

B. Vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen

 

Rz. 6

 

§ 650p Vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen

(1) Durch einen Architekten- oder Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen.

(2) Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.

 

Rz. 7

§ 650p BGB normiert und definiert die aus einem Architekten- und Ingenieurvertrag herrührenden vertragstypischen Leistungen und damit entsprechend auch die Hauptpflichten (wobei diese nur für die Pflichten des Unternehmers gelten, wohingegen die Hauptpflicht des Bestellers [nämlich die Vergütungspflicht] sich aus einem Verweis nach § 650q Abs. 1 BGB auf § 631 Abs. 1 2. Halbs. BGB ergibt) – und zwar präziser als nach dem bislang einschlägigen § 631 Abs. 1 BGB, nach dem der Unternehmer die "Herstellung des versprochenen Werks" schuldet.[12] In Bezug auf die Vergütungshöhe (d.h. das Honorar) "gilt die auf MRVerbG 10 §§ 1, 2 beruhende EU-rechtlich umstrittene HOAI".[13]

 

Rz. 8

Die Definition der "vertragstypischen Pflichten" soll dazu beitragen, "die im Laufe der Planentwicklung notwendige...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge