Rz. 49

Für die Vergütungsanpassung im Fall von Anordnungen[118] nach § 650q Abs. 1 i.V.m. § 650b Abs. 2 BGB gilt nach § 650q Abs. 2 BGB[119] ein dreistufiges Feststellungsprocedere:[120]

Unterfallen die Leistungen der HOAI, gilt diese (so § 650q Abs. 2 S. 1 BGB).[121]
Ist dies nicht der Fall (unterfallen die Leistungen also nicht der HOAI), ist die Vergütungsanpassung frei vereinbar (§ 650q Abs. 2 S. 2 BGB).[122]
Treffen (oder können) die Parteien keine Vereinbarung (treffen), gelten die Vergütungsanpassungsregelungen des § 650c BGB entsprechend (als Auffangtatbe­stand – so § 650q Abs. 2 S. 3 BGB).[123]
 

Rz. 50

Zunächst gelten für die Vergütungsanpassung im Fall von Anordnungen gemäß § 650q Abs. 2 S. 1 BGB also die Entgeltberechnungsregeln der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in der jeweils geltenden Fassung, soweit die infolge der Anordnung zu erbringenden oder entfallenden Leistungen vom Anwendungsbereich der Honorarordnung erfasst werden. "Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn es sich bei den infolge der Anordnung zu erbringenden oder entfallenden Leistungen um “Grundleistungen’ im Sinne der HOAI handelt."[124]

 

Rz. 51

Nach Schwenker/Rodemann[125] bleibt offen, ob dabei Mindest-, Mittel- oder Höchstsätze maßgeblich sind.

 

Rz. 52

 

Beachte:

Der Gesetzgeber[126] erachtet eine darüber hinausgehende Anwendung der Grundsätze des § 10 HOAI für den Fall, dass sich infolge der Anordnung der Umfang der beauftragten Leistung ändert oder Grundleistungen zu wiederholen sind, für zweifelhaft (arg: § 10 HOAI setze seinem Wortlaut nach sowohl hinsichtlich der Änderung als auch im Hinblick auf die Vergütungsanpassung eine Parteivereinbarung voraus).[127] § 10 HOAI regelt im Übrigen die Auswirkungen eines geänderten Leistungsumfangs auf die Vergütung nur für ihren Anwendungsbereich.[128]

§ 10 HOAI regelt die Berechnung des Honorars bei vertraglichen Änderungen des Leistungsumfangs wie folgt:

"(1) Einigen sich Auftraggeber und Auftragnehmer während der Laufzeit des Vertrags darauf, dass der Umfang der beauftragten Leistung geändert wird, und ändern sich dadurch die anrechenbaren Kosten oder Flächen, so ist die Honorarberechnungsgrundlage für die Grundleistungen, die infolge des veränderten Leistungsumfangs zu erbringen sind, durch schriftliche Vereinbarung anzupassen."

(2) Einigen sich Auftraggeber und Auftragnehmer über die Wiederholung von Grundleistungen, ohne dass sich dadurch die anrechenbaren Kosten und Flächen ändern, ist das Honorar für diese Grundleistungen entsprechend ihrem Anteil an der jeweiligen Leistungsphase schriftlich zu vereinbaren.“

Letztlich will der Gesetzgeber die Frage einer Anwendung des § 10 HOAI der Rechtsprechung überlassen.[129]

 

Rz. 53

Sofern § 10 HOAI nicht entsprechend zur Anwendung gelangt oder aus anderen Gründen eine nicht von der HOAI erfasste Konstellation vorliegt, gelangt § 650q Abs. 2 S. 2 oder S. 3 BGB zur Anwendung.

 

Rz. 54

Dann ist die Vergütungsanpassung für den vermehrten oder verminderten Aufwand nach § 650q Abs. 2 S. 2 BGB zunächst aufgrund der angeordneten Leistung frei vereinbar (freie Vereinbarkeit der Vergütungsanpassung).

 

Rz. 55

Soweit die Vertragsparteien aber keine Vereinbarung treffen, gilt – als Auffangtat­bestand – § 650c BGB (Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Abs. 2 BGB – dazu vorstehend § 2 Rdn 98 ff.) entsprechend (so § 650q Abs. 2 S. 3 BGB):

§ 650c Abs. 1 BGB: Dann ist die Höhe des Vergütungsanspruchs für den verminderten oder vermehrten Aufwand nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln. Umfasst die Leistungspflicht des Unternehmers auch die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, steht diesem im Fall des § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB allerdings kein Anspruch auf eine Vergütung für vermehrten Aufwand zu.
§ 650c Abs. 2 BGB: Der Unternehmer kann – alternativ – zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag (statt auf die tatsächlich erforderlichen Kosten) auch auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückgreifen – wobei vermutet wird, dass die auf der Basis der Urkalkulation fortgeschriebene Vergütung der Vergütung nach § 650c Abs. 1 BGB entspricht.
 

Rz. 56

 

Zusammenfassung:

Vorrangig ist somit eine Parteivereinbarung, "weil eine Berechnung des Mehr- oder Minderaufwands anhand der tatsächlichen Kosten gemäß § 650c BGB-E beim Architekten- und Ingenieurvertrag wegen fehlender Bezugspunkte Schwierigkeiten aufwerfen kann".[130] In Bezug auf eine Vergütungsanpassung außerhalb der HOAI-Tatbestände wird daher

primär auf eine vertragliche Vereinbarung abgestellt und
sekundär[131] (d.h. nur sofern die Parteien keine Vereinbarung treffen sollten) der Maßstab der "tatsächlich erforderlichen Kosten" (§ 650c BGB, vorstehende Rdn 55) zugrunde gelegt.
[118] Näher Digel/Jacobsen, BauR 2017, 1587.
[119] Näher jurisPK-BGB/Stelzner, § 650q Rn 44 ff.
[120] Kritisch dazu Erman/Schwenker/Rodemann (§ 650q BGB Rn 1): Der Verweis...

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