Rz. 1

 

§ 93 SGB XII: Übergang von Ansprüchen

(1) Hat eine leistungsberechtigte Person oder haben bei Gewährung von Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel auch ihre Eltern, ihr nicht getrennt lebender Ehegatte oder ihr Lebenspartner für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Er kann den Übergang dieses Anspruchs auch wegen seiner Aufwendungen für diejenigen Leistungen des Dritten und Vierten Kapitels bewirken, die er gleichzeitig mit den Leistungen für die in S. 1 genannte leistungsberechtigte Person, deren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und deren minderjährigen unverheirateten Kindern erbringt. Der Übergang des Anspruchs darf nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen entweder die Leistung nicht erbracht worden wäre oder in den Fällen des § 19 Abs. 5 Aufwendungsersatz oder ein Kostenbeitrag zu leisten wäre. Der Übergang ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(2) Die schriftliche Anzeige bewirkt den Übergang des Anspruchs für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person die Leistung ohne Unterbrechung erbracht wird. Als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten.

(3) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt, der den Übergang des Anspruchs bewirkt, haben keine aufschiebende Wirkung.

(4) Die § 115 und 116 des Zehnten Buches gehen der Regelung des Abs. 1 vor.

 

Rz. 2

Die Vorschrift schließt inhaltlich nahezu deckungsgleich an § 90 BSHG an; die hierzu entwickelten Grundsätze sind daher auch für die Neuregelung einschlägig. Sie beinhaltet den gesetzlichen Forderungsübergang von Ansprüchen der Hilfeempfänger gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist. Der Übergang erfasst ausweislich des Wortlauts auch die Ansprüche der Eltern, des nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartners. Die eigenen Ansprüche des Sozialhilfeträgers gegen einen anderen Leistungsträger regeln sich ausschließlich nach den §§ 102 ff. SGB X. Es handelt sich insoweit um originäre Ansprüche des Sozialhilfeträgers, die mit § 93 SGB XII in keiner Berührung stehen.

 

Rz. 3

Die Überleitung eines Anspruchs nach § 93 Abs. 1 SGB XII wirkt wie eine Abtretung. Die Rechtsnatur des Anspruchs bleibt unverändert. Er unterliegt der nämlichen rechtlichen Beurteilung wie ohne die Überleitung, soweit das Gesetz keine besonderen Regelungen trifft.[1]

 

Rz. 4

Mit der Vorschrift soll der Nachrang der Sozialhilfe sichergestellt werden: Nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Wie bei der Vorläuferregelung (§ 90 BSHG) dient die Überleitung des Anspruchs der Durchsetzung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe und verfolgt den Zweck, beim Sozialhilfeträger die Haushaltslage herzustellen, die bestehen würde, wenn der Dritte den Anspruch des Hilfeempfängers schon früher erfüllt hätte.[2]

 

Rz. 5

Anders als bei § 116 SGB X bewirkt der Sozialhilfeträger den Übergang des Anspruchs selbst, und zwar durch schriftliche Anzeige an den anderen, gegen den der Hilfeempfänger bzw. die in Abs. 1 S. 1 genannten Angehörigen den Anspruch haben.

 

Rz. 6

Im Einzelnen legt § 93 Abs. 2 SGB XII fest, dass die schriftliche Anzeige den Übergang des Anspruchs bewirkt. Allerdings kommt es nicht zum uneingeschränkten Übergang. Vielmehr erfolgt der Übergang nur für diejenige Zeit, in welcher dem Hilfeempfänger die Hilfe ohne Unterbrechung gewährt wird. Hs. 2 des Abs. 2 fingiert als "Unterbrechung" einen "Zeitraum von mehr als zwei Monaten".

 

Rz. 7

Dem Übergang stehen Vorschriften nicht entgegen, nach denen der Anspruch nicht übertragbar, gepfändet oder verpfändet werden kann (Abs. 1 S. 4). Solche Verbotsbestimmungen sind z.B. §§ 399, 400, 1274 Abs. 2 BGB, §§ 850 ff. ZPO und diejenigen Vorschriften, welche die Übertragung, Verpfändung und Pfändung begrenzen (§§ 53, 54 SGB I). Gegenüber diesen Bestimmungen hat § 93 SGB XII den Vorrang. Allerdings hat der nach § 93 SGB XII vorgehende Sozialhilfeträger das Pfändungsverfahren nach § 55 SGB I einzuhalten.

 

Rz. 8

Die Überleitungsanzeige – und damit der Übergang des Anspruchs – wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem anderen, gegen den der Hilfeempfänger einen Anspruch hat, bekannt gemacht wird (§ 37 Abs. 1, § 39 Abs. 1 S. 1 SGB X).[3]

 

Rz. 9

Wirkung für die Zukunft hat die Überleitungsanzeige nur unter der aufschiebenden Bedingung der tatsächlichen Gewährung der Unterstützung (§ 93 Abs. 2 SGB XII).[4] Der Übergang setzt zeitliche, dagegen nicht sachliche Kongruenz...

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