Rz. 10

Will der Verteidiger gegen die Entscheidung im Beschlussweg Rechtsbeschwerde einlegen, muss er die Verfahrensrüge erheben und insbesondere drei wichtige Umstände mitteilen: den Zeitpunkt des Hinweises nach § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG, den Widerspruch und dessen Eingang bei Gericht. Diese Details kann der Verteidiger durch die Akteneinsicht verifizieren.

 

Rz. 11

Neben diesem Standardfall muss der Verteidiger zudem wissen, dass er auch dann nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG die Rechtsbeschwerde erheben kann, wenn keine oder keine ausreichende Gelegenheit zum Widerspruch gegeben wurde, etwa weil gar kein Hinweis erteilt wurde, der Hinweis fehlerhaft oder irreführend war oder auch weil z.B. ein Verstoß gegen Art. 6 EMRK vorlag, etwa wegen nicht eingehaltener Absprachen. Hier sollte der Verteidiger in der Rechtsbeschwerdebegründung den Wortlaut des Hinweises oder möglicherweise erhobener Bedingungen im Wortlaut mit Eingangsdatum dokumentieren.

 

Rz. 12

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Detail, dass im Gegensatz zur Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil dem Gericht hier die volle Akte zur Prüfung zur Verfügung steht, während sonst nur Rechtsbeschwerdebegründung und Urteil herangezogen werden dürfen.[4]

 

Rz. 13

Muster 39.4: Rechtsbeschwerde gegen Beschluss

 

Muster 39.4: Rechtsbeschwerde gegen Beschluss

An das Amtsgericht _________________________

Sehr geehrte _________________________,

hiermit lege ich namens und mit Vollmacht des Betroffenen Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts _________________________ vom _________________________ ein und beantrage die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie den Freispruch des Betroffenen, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das zuständige Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Die Rechtsbeschwerde begründe ich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts wie folgt:

1. Sachrüge: Das hier im tatrichterlichen Urteil festgestellte Verhalten des Betroffenen erfüllt weder den Bußgeldtatbestand nach §§ 49, 37 Abs. 2 StVO noch nach §§ 49, 2 Abs. 1 StVO. Auch sonst ist keine Verletzung eines Bußgeldtatbestandes ersichtlich. Im Grundsatz noch zutreffend ist der Ansatz des Amtsgerichts, dass das Umfahren einer Lichtzeichenanlage einen Rotlichtverstoß darstellen kann. Zu dem durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich gehört der gesamte Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, wobei außer der Fahrbahn auch die parallel verlaufenden Randstreifen, Parkstreifen, Radwege oder Fußwege diesem Bereich zuzuordnen sind. Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige, der die Fahrbahn vor einer für ihn Rotlicht zeigenden Ampelanlage verlässt und diese über den Gehweg, Randstreifen, Parkstreifen, Radweg oder eine Busspur umfährt, um hinter der Ampelanlage in dem durch sie geschützten Bereich wieder auf die Fahrbahn aufzufahren, sich eines Rotlichtverstoßes schuldig macht (OLG Hamm, Beschl. v. 25.4.2002 – 2 Ss OWi 222/02 = NStZ-RR 2002, 250). Gleiches gilt, wenn jemand auf einer Fahrbahn mit mehreren durch Leitlinien bzw. Fahrstreifenbegrenzungen und Richtungspfeile markierten Fahrstreifen mit jeweils eigener Lichtzeichenregelung auf der durch Grünlicht freigegebenen Geradeausspur in eine Kreuzung einfährt und nach Überfahren der Haltlinie auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen für Linksabbieger wechselt (BayObLG, Beschl. v. 27.6.2000 – 1 ObOWi 257/00 = NZV 2000, 422).

Das Rotlicht verbietet dagegen nicht, vor der Ampelanlage abzubiegen und einen nicht durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich zu befahren, etwa auf einen Parkplatz oder – wie hier – ein Tankstellengelände einzufahren. Ebenso wenig untersagt es, von einem nicht durch die Signalanlage geschützten Bereich auf den hinter dieser, durch sie also geschützten Verkehrsraum zu fahren; denn das Rotlicht wendet sich selbstverständlich nur an denjenigen Verkehrsteilnehmer, der es – in seiner Fahrtrichtung gesehen – vor sich findet. Mit einer solchen Vorgehensweise nutzt der Verkehrsteilnehmer lediglich eine Lücke, die es ihm ermöglicht, sich außerhalb der Reichweite des Haltegebots fortzubewegen. Das auch ansonsten zulässige und nicht bußgeldbewehrte Verhalten des Auffahrens und Verlassens eines Privatgrundstücks wird nicht dadurch zur Ordnungswidrigkeit, dass es durch die Vermeidung des Anhaltens vor einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage motiviert ist. Die oben geschilderte Gefährdungslage ist bei einer solchen Verhaltensweise nicht gegeben. Vielmehr ist lediglich die Gefährdungslage des (grundsätzlich aber erlaubten) Ein- und Ausfahrens auf ein bzw. von einem Privatgrundstück gegeben, was aber durch die Wechsellichtzeichenanlage nicht vermindert werden soll. Diese Gefährdungslagen werden durch andere Verkehrsvorschriften hinreichend geregelt (vgl. BGH, Beschl. v. 27.6.1985 – 4 StR 766/84 = zfs 1985, 284).

Auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 StVO kann in der Verhaltensweise des Betroffenen nicht gesehen werden. Ein Kraftfahrer, der vor einer Straßenkreu...

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