Rz. 23

Das Verkehrszeichen muss hinreichend bestimmt sein (§ 37 Abs. 1 VwVfG). Als VA muss es erkennen lassen, was Regelungsgegenstand ist. Dieser muss ohne Zweifel zum Ausdruck kommen und aus sich heraus erkennbar sein. Für den Verkehrsteilnehmer muss unter Beachtung der ihn treffenden erforderlichen Sorgfalts- und Informationspflicht zweifelsfrei zu erfassen sein, was von ihm verlangt wird. Nicht eindeutige und unklare Regelungen machen es ihm unmöglich, sich normgerecht zu verhalten. Werden mehrere Schilder verwendet, so dürfen sie sich nicht widersprechen oder zu einer insgesamt unklaren Verkehrsregelung führen.[28] Ein Verstoß gegen die (Ziel-)Bestimmtheit liegt vor, wenn der Anordnung nicht zu entnehmen ist, auf welchen räumlichen Geltungsbereich sie sich bezieht. Insgesamt dürften hier durchaus ähnliche Überlegungen eine Rolle spielen wie beim Sichtbarkeitsgrundsatz (siehe oben § 38 Rdn 9 ff.). Ist dieser dabei nicht in völliger begrifflicher Absolutheit und ohne jede Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweils zu regelnden Verkehrssituation anzuwenden[29] und besteht z.B. innerorts eine gesteigerte Vergewisserungspflicht, ob man sich in einer Tempo-30-Zone befindet,[30] so muss dem Kraftfahrer doch klar sein, dass er sich innerhalb einer solchen Zone befindet.[31]

 

Rz. 24

Eine Verkehrsregelung muss mit der hinreichenden Klarheit verlautbart werden, so dass der Verkehrsteilnehmer nicht in berechtigte Zweifel geraten kann. Hinreichende Klarheit besteht dabei aber auch dann, wenn sich der Verkehrsteilnehmer unter der Voraussetzung einer im Fall unterstellten Unklarheit und einer hierdurch hervorgerufenen Verwirrung mit nur geringer Mühe Klarheit über Inhalt und Umfang der Verkehrsregelung verschaffen kann.[32] So gilt z.B. ein (im Fall im Zusammenhang mit einem Haltverbot stehendes) Zusatzschild, welches sich unter mehreren übereinander angebrachten Verkehrszeichen befindet, nur für das unmittelbar über dem Zusatzschild angebrachte Verkehrszeichen.[33] Der Anforderung an die sofortige Erkennbarkeit des Regelungsgehalts von Verkehrszeichen genügt jedenfalls eine Schilderkombination nicht mehr, die aus einem Verbotszeichen und vier Zusatzzeichen besteht.[34]

 

Rz. 25

Im Übrigen kann auch die Auslegung das Verständnis der Beschilderung bestimmen. So gestattet z.B. das Zusatzschild "Lieferverkehr frei" das Befahren eines eigentlich gesperrten Bereichs. Der verobjektivierte Empfängerhorizont versteht unter "Lieferverkehr" den geschäftsmäßigen Transport von Sachen von oder zu Gewerbetreibenden sowie von oder zu sonstigen Kunden eines Gewerbetreibenden.[35] Damit handelt es sich beim "Lieferverkehr" um eine spezifische Form des zugelassenen Anliegerverkehrs.[36]

 

Rz. 26

Auch Zusatzzeichen[37] sind Verkehrszeichen (§ 39 Abs. 3 S. 1 StVO). Auch wenn sie unterschiedliche "Anordnungen" (vor allem erläuternde Hinweise, nach außen getragene Motivation der Behörde, verwaltungsrechtliche Begründungen, aber auch Einschränkungen, Gebote und Verbote) beinhalten können, unterliegen sie dennoch dem Sichtbarkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot und müssen inhaltlich hinreichend klar sein. Da hier die Behörde (im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben) die Aufstellungs- und Formulierungsmacht hat, gehen Unklarheiten zu ihren Lasten; abzustellen ist auf den vernünftigen mit den Straßenverkehrsregeln vertrauten Verkehrsteilnehmer. So gilt die mit Verkehrszeichen 274 (Nr. 49 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) mit Zusatzzeichen "Mo–Fr, 6–18 h" (§ 39 Abs. 2 StVO) angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch dann, wenn auf den betreffenden Wochentag ein gesetzlicher Feiertag fällt.[38] Das eine Schneeflocke (vgl. § 39 Abs. 7 StVO) darstellende Zusatzschild (i.S.d. § 39 Abs. 3 StVO) zu dem die Geschwindigkeit begrenzenden Schild soll nach OLG Hamm[39] lediglich einen – eigentlich entbehrlichen – Hinweis darauf geben, dass die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Gefahrenabwehr wegen möglicher winterlicher Straßenverhältnisse dient. Anders als bei dem Schild "Nässe" (StVO Anl. 2 lfd. Nr. 49.1)[40] enthalte das Schild aber gerade keine zeitliche Einschränkung. Die Geschwindigkeitsbeschränkung sei – auch bei trockener Fahrbahn und damit auch im Sommer – beachtlich und keinesfalls nichtig. Hier sind Bedenken mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot angebracht,[41] auch wenn das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage die Vereinbarkeit der Entscheidung mit der Rechtslage bestätigt hat.[42]

[28] VG Saarland zfs 2000, 43, 44.
[29] OVG NRW, Beschl. v. 20.6.2014 – 5 A 1435/13, juris Rn 6; VGH BW, Urt. v. 20.1.2010 – 1 S 484/09, VBlBW 2010, 197,= juris Rn 17; HambOVG, Urt. v. 30.6.2009 – 3 Bf 408/08, NZV 2009, 524 = zfs 2009, 533, juris Rn 31; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.5.2015 – OVG 1 B 33.14, DAR 2015, 712 mit Anm. Koehl; Beschl. v. 25.1.2002 – OVG 5 N 20.01; Beschl. v. 2.11.2004 – OVG 5 N 77.03; Beschl. v. 13.9.2010 – OVG 1 S 137.10; Beschl. v. 21.9.2010 – OVG 1 N 78.10; VG Aachen, Urt. v. 5.10.2005 – 6 K 805...

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