Rz. 28

Der Kraftfahrer muss wissen können, dass er sich in einer geschwindigkeitsbeschränkten Zone befindet; dazu gehört auch hier für ihn die Erkennbarkeit des Verkehrszeichens.[91]

Der mit der Zonenanordnung ("Tempo-30-Zone", Einzelheiten dazu vgl. § 40 Rdn 19 ff.) verbundene teilweise Verzicht auf die wiederholte Aufstellung von Verkehrszeichen, der den Sichtbarkeitsgrundsatz lockert, setzt voraus, dass das Gesamtbild des betreffenden Gebiets dem Kraftfahrer stets das Bewusstsein vermittelt, sein Fahrzeug innerhalb einer geschwindigkeitsbeschränkten Zone zu steuern. Anders als nach früherer Rechtslage[92] ist jedoch ein "Zonenbewusstsein" nicht mehr erforderlich; das notwendige Bewusstsein vermittelt sich dem Kraftfahrer dadurch, dass die detaillierten Voraussetzungen des § 45 Abs. 1c StVO erfüllt sind und dass er deshalb diese Zonen deutlich von anderen Straßen unterscheiden kann.[93] Im Interesse der Verkehrssicherheit ist hierbei ein strenger Maßstab anzulegen.[94] Wesentliche Umstände dieser Art sind die nicht zu große Ausdehnung des Zonengebiets, gleichartige Merkmale der Straßen und eine erkennbare Einheit sowie einheitliche Züge des Gebietes (Sicherstellung eines weitgehend einheitlichen Erscheinungsbildes der Straßen innerhalb der Zone, vgl. VV zu § 45 Abs. 1 bis 1e, XI, 3). Auf diese Kriterien erstreckt sich auch eine gerichtliche Kontrolle. Abzustellen ist dabei auch auf den ortsfremden Kraftfahrer.[95] Durch § 45 Abs. 1c StVO ist die Errichtung von Tempo-30-Zonen erleichtert worden. Die Anordnung von Tempo-30-Zonen (Zeichen 274.1) wird durch die grundsätzliche Vorfahrtsregelung "rechts vor links", das Fehlen von Lichtzeichen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtigen Radwegen unterstützt. Darüber hinaus sind bauliche Veränderungen, wie z.B. Einengungen, Schwellen etc. zur Kenntlichmachung von Tempo-30-Zonen nicht mehr generell zwingend erforderlich. Stattdessen sollen in der Regel grundsätzlich Verengungen des Fahrbahnquerschnitts durch Markierung von Parkständen und Sperrflächen ausreichen (siehe dazu auch § 40 Rdn 19 ff.).[96]

 

Rz. 29

Der Verordnungsgeber hat den Sorgfaltsmaßstab für die Wahrnehmung von Tempo 30-Zonen über die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 1 StVO hinaus dadurch verschärft, dass er in § 39 Abs. 1a StVO bestimmt hat, dass innerhalb geschlossener Ortschaften abseits der Vorfahrtsstraßen (Zeichen 306) mit der Anordnung von Tempo 30-Zonen zu rechnen ist. Der Verkehrsteilnehmer trifft daher innerorts regelmäßig die gesteigerte Pflicht, sich zu vergewissern, ob er sich in einer Tempo 30-Zone befindet.[97]

 

Rz. 30

Der Führer eines Pkw, der keine Kenntnis von der angeordneten Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkung hat und auch nicht haben muss, weil er als Fußgänger in die Zone gelangt ist, ist nicht verpflichtet, sich darüber zu informieren, ob die Straße, auf der er einen von einem anderen abgestellten Pkw abholt, in dem Bereich einer Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkung liegt.[98]

Dadurch, dass ihm aber durch die detaillierte Erfüllung der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1c StVO das notwendige Bewusstsein vermittelt wird, dass er sich in einer solchen Zone befindet und weil ohnehin innerhalb geschlossener Ortschaften abseits der Vorfahrtsstraßen mit der Anordnung von Tempo 30-Zonen zu rechnen ist (§ 39 Abs. 1a StVO), wird sich dies dem Kraftfahrer dann aber sofort aufdrängen.

 

Rz. 31

Andererseits muss ein Kraftfahrer, der sich innerhalb eines erkennbar aktivierten Verkehrsleitsystems befindet, bei einer Weiterfahrt nach einem Parkplatzaufenthalt grundsätzlich damit rechnen, dass zwischenzeitlich durch automatische Steuerung eine Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet ist. Er muss dementsprechend seine Geschwindigkeit der des Hauptverkehrs anpassen, bis er durch die nachfolgende Anzeigenbrücke Kenntnis von der konkret erlaubten Geschwindigkeit erhält.[99]

[91] OLG Düsseldorf zfs 1997, 276; OLG Hamm zfs 2011, 107.
[92] Vgl. BVerwG NZV 1995, 165.
[93] König in: Hentschel/König/Dauer, § 45 StVO Rn 37; NdsOVG NJW 2007, 1609; VG Oldenburg zfs 2004, 387.
[94] BVerwG zfs 1995, 156.
[95] BVerwG zfs 1995, 157.
[96] Burmann/Heß/Jahnke/Janker, § 3 StVO Rn 70; speziell zum Sichtbarkeitsgrundsatz in der Tempo-30-Zone: OLG Hamm zfs 2011, 107. Vgl. dazu auch VV zu § 45 StVO zu Abs. 1 bis 1e, XI.
[97] BayVGH, Urt. v. 28.5.2014 – 11 B 13.2154, DAR 2015, 600 unter Hinweis auf BayObLG, Beschl. v. 21.7.2000 – 1 ObOWi 351/00 – VRS 99, 374 = DAR 2000, 533.
[98] OLG Düsseldorf NZV 1997, 406 = zfs 1997, 276.
[99] BayObLG NZV 1998, 386 = DAR 1998, 358. Dazu Scheffler, NZV 1999, 363.

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