Rz. 26

Diese sehr umstrittene und vor allem von Sachverständigen angegriffene Rechtsprechung hat der BGH in der Zwischenzeit aufgegeben. So wird jetzt (wie es z.B. der 1. Strafsenat für den nicht verkehrsrechtlichen Bereich schon immer forderte) die normative Beurteilung der Schuldfähigkeit nicht mehr allein anhand des BAK-Wertes vorgenommen, sondern das psycho-physische Leistungsbild des Täters wird zur Beurteilung mit herangezogen (BGH NJW 1997, 2460; BGH DAR 2012, 392; OLG Braunschweig NZV 2014, 478). Allerdings darf ein solcher Schluss nicht auf die Wertung eines Polizeibeamten gestützt werden, sondern muss auf Tatsachen und entsprechenden ärztliche Feststellungen basieren (OLG Schleswig-Holstein zfs 2014, 55).

 

Rz. 27

Der 4. Strafsenat hat in diesem Zusammenhang auf Anfrage des ersten Strafsenates erklärt, dass er an einem Erfahrungssatz, wonach die Schuldfähigkeit alleine aufgrund des Alkoholwertes zu beurteilen sei, nicht mehr festhalte bzw. einen solchen nie angenommen habe (BGH NStZ-RR 1997, 162).

 

Rz. 28

 

Achtung

In dieser Entscheidung hat der 4. Senat allerdings zugleich auch seine Ansicht bekräftigt, dass in den Fällen, in denen keine psycho-diagnostischen Kriterien vorlägen und eine BAK von mindestens 2,0 ‰ die alleinige Beurteilungsgrundlage sei, der Richter vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB auszugehen habe.

 

Rz. 29

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass der Richter jetzt die Frage der Schuldfähigkeit bzw. der eingeschränkten Schuldfähigkeit ohne Bindung an bestimmte Grenzwerte und unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks des Täters eigenständig zu beurteilen hat. Der Blutalkoholkonzentration kommt jetzt umso geringere Bedeutung zu, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische Beweisanzeichen zur Verfügung stehen (BGH DAR 2013, 160). Allerdings kann alleine aufgrund des feststellbaren äußeren Leistungsverhaltens bei hoher Tatzeit-BAK, insbesondere bei alkoholgewohnten Angeklagten, eine Schuldunfähigkeit oder eine eingeschränkte Schuldfähigkeit nicht ausgeschlossen werden (BGH NZV 2018, 386), weshalb der Richter sich namentlich bei hohen Alkoholwerten sachverständlich beraten lassen muss (OLG Schleswig-Holstein, zfs 2014, 55).

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