I. Von der Schuldform abhängende Vorfragen

 

Rz. 1

Obwohl von der Schuldform weder die Höhe der Strafe, noch die Dauer der Fahrerlaubnis-Sperre entscheidend abhängt, wird heftig um sie gestritten. Dies hat seinen Grund vor allem in den mittelbaren Folgen:

1. Rechtsschutz

 

Rz. 2

Wird der Alkoholfahrer rechtskräftig wegen einer vorsätzlich begangenen Trunkenheitsfahrt verurteilt, hat er in der Rechtsschutzversicherung keinen Deckungsschutz bzw. muss er die von seiner Versicherung erbrachten Leistungen zurückerstatten.

2. Berufsunfähigkeit

 

Rz. 3

Verunfallt ein Versicherter während einer von ihm vorsätzlich begangenen Trunkenheitsfahrt, hat er in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung keinen Versicherungsschutz, wenn die Berufsunfähigkeit kausal auf den Unfall zurückzuführen ist.

3. Beihilfe und Anstiftung

 

Rz. 4

Halter und Beifahrer können Mittäter einer Trunkenheitsfahrt sein (BGH StraFo 2007, 475). Beihilfe kann gar durch Unterlassen begangen werden, wenn eine Garantenstellung vorliegt, so z.B. wenn ein Gastwirt die Trunkenheitsfahrt nicht verhindert, obwohl er dem Gast so viel ausgeschenkt hat, dass dieser nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann (BGHSt 19, 152; BGH NJW 1975, 1175; OLG Saarbrücken NJW-RR 1995, 986). Das Gleiche gilt für einen privaten Gastgeber.

 

Rz. 5

 

Tipp: Nur wenn Haupttat vorsätzlich begangen

Beihilfe und Anstiftung setzen eine vorsätzlich begangene Haupttat voraus (BGHSt 18, 5). Strafbar können Mittäter deshalb nur dann sein, wenn dem Alkoholfahrer eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt nachgewiesen werden kann.

II. Wissen um Fahrunsicherheit

1. Wissen um Alkoholisierung

 

Rz. 6

In der Diskussion um die Schuldform wird nicht immer gesehen, dass Vorsatz nicht bereits dann vorliegt, wenn der Täter um seine Alkoholisierung weiß, sondern erst, wenn er seine Fahrunsicherheit erkannt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat.

2. Indizien

a) Höhe des Alkoholwertes

 

Rz. 7

Immer wieder wird versucht, den Vorsatz alleine mit der Höhe des festgestellten Alkoholwertes zu begründen. Obwohl doch aus der Rechtsmedizin[1] bekannt ist, dass mit steigendem Promillewert die Kritik- und Erkenntnisfähigkeit abnimmt, was eher gegen die Annahme von Vorsatz bei hohen Promillewerten spricht. In der obergerichtlichen Rechtsprechung besteht deshalb Einigkeit, dass aus der Höhe des Alkoholwertes alleine nicht auf eine vorsätzliche Begehung geschlossen werden darf und es keinen Erfahrungssatz gibt, wonach derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, sich seiner Fahrunsicherheit bewusst ist oder diese billigend in Kauf nimmt (OLG Stuttgart NZV 2011, 412; OLG Düsseldorf zfs 2017, 590; OLG Karlsruhe DAR 2019, 579; OLG Dresden BA 56 [2019], 14). Auch wenn der BGH (DAR 2015, 390) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Höhe des Alkoholwertes ein zumindest wichtiges Indiz für bedingten Vorsatz sein kann,[2] betonen Oberlandesgerichte (z.B. OLG Düsseldorf zfs 2017, 590), dass auch nach der Entscheidung des BGH die Vorsatzfrage weiterhin über die Feststellung der Höhe des Alkoholwertes hinausgehender zusätzlicher Indizien bedürfe.

Nach wie vor kann deshalb selbst (oder gerade) aus hohen Promillewerten wie z.B. 1,98 ‰ (OLG Hamm NZV 2005, 161), 1,86 ‰ (OLG Düsseldorf NZV 2017, 98), 2,21 ‰ (OLG Düsseldorf NZV 2017, 537) oder 2,4 ‰ (BGH NZV 1991, 117) alleine nicht auf Vorsatz geschlossen werden.

 

Tipp: Aufgrund eigener Einlassung

Da fast regelmäßig die Einlassung des Angeklagten Argumente für eine Vorsatzverurteilung liefert, sollte der Verteidiger intensiv prüfen, ob überhaupt eine Einlassung notwendig ist.

Besonders schwierig ist eine Vorsatzverurteilung dann zu begründen, wenn zwischen Trinkende und der Alkoholfahrt eine nicht unerhebliche Zeit liegt. Dann bedarf die Annahme des Vorsatzes nämlich einer besonders sorgfältigen Prüfung und Begründung, weil Abbau und Wirkung des Restalkohols von Betroffenen häufig verkannt werden und deshalb meist nur Fahrlässigkeit vorliegen wird (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 85; OLG Koblenz NZV 2008, 304).

[1] Schreiber/Zink, BA 83, 511; Blank, BA 97, 126.
[2] Kritik König, DAR Extra 2015, 737.

b) Anlässlich der Blutentnahme erhobene Befunde

 

Rz. 8

Aus Vermerken wie z.B. "Denkablauf geordnet" oder "keine Ausfallerscheinungen ersichtlich" kann ebenso wenig (OLG Hamm zfs 1996, 233) auf Vorsatz geschlossen werden, wie aus der Zeit für den Drehnystagmus (OLG Dresden NZV 1995, 236; OLG Zweibrücken NStZ 1995, 96), jedenfalls so lange der Nüchternwert nicht bekannt ist, da andernfalls nicht feststeht, dass die lange Dauer des Drehnystagmus auf die Alkoholwirkung zurückzuführen ist.

 

Achtung: Kein Verwertungsverbot bei unterbliebener Belehrung

Der Betroffene hat zwar keine Mitwirkungspflicht bei den von dem untersuchenden Arzt im Rahmen der Blutprobe durchgeführten Tests, auch wenn der Arzt wie regelmäßig, über die Freiwilligkeit nicht informiert, besteht jedoch kein Beweisverwertungsverbot (OLG Celle zfs 2018, 111).

c) Alkohol und Drogen

 

Rz. 9

Selbst wenn der Täter zu erheblichen Mengen Alkohol (1,84 ‰) noch zusätzlich Cannabis konsumiert hat, kann nicht ohne Weiteres von Vorsatz ausgegangen werden (OLG Frankfurt zfs 1995, 232).

d) Trinken in Fahrbereitschaft

 

Rz. 10

Allein aus der Tatsache, dass jemand in dem Wissen um die Alkoholaufnahme und die anschließende Rückfahrt mit dem Pkw an sein Ziel fährt, ka...

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