Rz. 18

Polizeiliche Weisungen sind Verwaltungsakte i.S.d. § 35 VwVfG. Die Polizei ist befugt, den Verkehr durch Zeichen und Weisungen (§ 36 StVO) zu regeln (§ 44 Abs. 2 S. 1 StVO). Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten sind zu befolgen. Sie gehen allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor, entbinden den Verkehrsteilnehmer aber nicht von seiner Sorgfaltspflicht (§ 36 Abs. 1 S. 1 und 2 StVO). Weisungen müssen für den Kraftfahrer klar und eindeutig, also hinreichend bestimmt, d.h. im Einzelfall bestimmbar sein. Für die Frage der Bestimmtheit gilt insofern die allgemeine Regelung des § 37 Abs. 1 VwVfG. Die Weisung muss erkennbar von einem Polizeibeamten ausgehen.[33] Die aus landesrechtlichen Brandschutz- und Katastrophenschutzgesetzen folgende Ermächtigung des jeweiligen Einsatzleiters der Feuerwehr, i.R.d. Sicherheitsmaßnahmen Straßen oder Straßenteile zu sperren, umfasst nicht die Befugnis nach §§ 36, 44 StVO zur Erteilung von Einzelverfügungen an den jeweiligen Verkehrsteilnehmer.[34]

Das Zeichen zum Anhalten kann nach § 36 Abs. 5 S. 2 StVO auch durch geeignete technische Einrichtungen am Einsatzfahrzeug, eine Winkerkelle ("Anhaltekelle") oder eine rote Leuchte gegeben werden.[35]

Die Art und Weise der Durchführung von Verkehrskontrollen steht allerdings nicht einschränkungslos im Ermessen der Polizei, sie hat sich vielmehr an dem damit verfolgten Zweck, d.h. der Feststellung von Verstößen gegen die StVO auszurichten.[36]

 

Rz. 19

Die Notwendigkeit der Bestimmtheit gilt erst recht, wenn die polizeiliche Weisung eine durch Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtung geregelte Halteanordnung außer Kraft setzen soll.[37] Wird für den Fahrzeugführer nicht hinreichend deutlich, ob die Polizei im betreffenden Bereich auch tatsächlich regeln will, und fehlt den Zeichen und Weisungen des Polizisten insoweit die hinreichende Bestimmtheit, so müssen die Zeichen nicht nach § 36 Abs. 1 StVO befolgt werden.[38] Verhält sich ein Polizeibeamter im Rahmen der Verkehrsregelung aufgrund von § 36 StVO pflichtwidrig und kommt es deshalb zu einem Schaden, so kommen Amtshaftungsansprüche aufgrund § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht.[39] Die die Rechtsgüter eines Verkehrsteilnehmers gefährdende – und erst recht die sie verletzende – Durchführung einer Verkehrskontrolle stellt grundsätzlich eine Amtspflichtverletzung dar.[40]

 

Rz. 20

Polizeiliche Weisungen in diesem Sinne sind sowohl solche, die einem gegenwärtigen Verkehrsbedürfnis durch die Regelung des Verkehrs im Einzelfall dienen sollen, als auch solche, die dadurch unmittelbar verkehrsbezogen sind, dass sie die von einem Verkehrsteilnehmer ausgehende, andauernde Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit beseitigen.[41]

 

Rz. 21

Eine generelle verkehrsrechtliche Befolgungsanordnung kann auf § 44 Abs. 2 i.V.m. § 36 StVO gestützt werden. Sie darf unbeschadet dessen erlassen werden, dass die Nichtbefolgung einer darin konkretisierten gesetzlichen Pflicht eine Ordnungswidrigkeit darstellt und als solche verfolgt werden kann. Beide Maßnahmen sind unterschiedlicher Art und können nebeneinander ergehen, wobei eine Reihenfolge nicht festgelegt ist.[42]

 

Rz. 22

In solchen Fällen kommt auch eine auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung in Betracht. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine Polizeibehörde in (Polizei-)Verordnungen normierte Gebote oder Verbote durch sog. unselbstständige Polizeiverfügung konkretisieren darf, wenn eine Übertretung eines solchen Gebots oder Verbots droht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betroffene zu einer derartigen Befolgungsanordnung durch hartnäckige Weigerung bzw. permanenten Verstoß qualifizierten Anlass gegeben hat.[43]

 

Rz. 23

Polizeibeamte dürfen Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle einschließlich der Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit und zu Verkehrserhebungen anhalten (§ 36 Abs. 5 S. 1 StVO). Die Verkehrsteilnehmer haben die Anweisungen der Polizeibeamten zu befolgen (§ 36 Abs. 5 S. 4 StVO). § 36 Abs. 5 StVO ist Rechtsgrundlage für alle präventiven verkehrsbezogenen Maßnahmen, die zur Überprüfung der Fahrtüchtigkeit der Fahrzeugführer, zur Prüfung der nach den Verkehrsvorschriften mitzuführenden Papiere sowie zur Prüfung des Zustands, der Ausrüstung und der Beladung der Fahrzeuge von der Polizei ergriffen werden (vgl. auch die VwV zu § 36, zu Abs. 5). Rechtsgrundlage für das Anhalten zur Verfolgung einer Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit ist § 163 StPO bzw. § 46 Abs. 1 OWiG.

[33] König in: Hentschel/König/Dauer § 36 StVO Rn 17, VwV zu § 36 Abs. 1.
[34] Keiper, LKRZ 2013, 365, 368 zu § 25 Abs. 1 Rheinl.-Pfälz. Brand- und Katastrophenschutzgesetz.
[35] Zur Frage der Amtshaftung, wenn es im Rahmen einer Verkehrskontrolle durch eine für das polizeiliche Anhaltezeichen verwendete Winkerkelle zur Beschädigung eines Kfz kommt, dessen Fahrer das Anhaltegebot nicht beachtet hat: OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.8.2015 – 4 U 119/14, NZV 2016, 365.

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