Rz. 355

Die Teilungsabkommen erhalten grob skizziert folgende Regelung: Der aufgrund einer bestehenden Haftpflichtversicherung im jeweiligen Einzelfall zum Versicherungsschutz verpflichtete Haftpflichtversicherer ersetzt "ohne Prüfung der Sach- und Rechtslage" dem Sozialversicherungsträger einen stets gleichbleibenden Anteil (Prozentsatz, Quote) von dessen Aufwendungen, für die der Sozialversicherungsträger einen Regressanspruch gemäß § 116 SGB X geltend machen könnte. Der Sozialversicherungsträger verpflichtet sich, nicht auf den Regressanspruch zurückzugreifen, der je nach Einzelfall höher sein kann als die Quote.

 

Rz. 356

Neben der Verpflichtung zum Versicherungsschutz ist weitere Voraussetzung, dass in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs besteht. Bei der Allgemeinen Haftpflichtversicherung muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem versicherten Haftpflichtbereich vorliegen.

 

Rz. 357

Ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich, dass eine Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherers nicht infrage kommt, ist für die Anwendung eines Teilungsabkommen kein Raum.

 

Rz. 358

Hinzuweisen ist darauf, dass der Bundesgerichtshof bei der Auslegung von Teilungsabkommen nach ständiger Rechtsprechung Teilungsabkommen frei auslegt.[440] Für diese Auslegung gelten die allgemeinen Grundsätze. Das Teilungsabkommen ist also gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragspartner und der Verkehrssitte nach seinem Sinn und Zweck auszulegen.[441]

 

Rz. 359

Dabei behält sich der Bundesgerichtshof die volle Prüfungskompetenz vor: Die Auslegung von Teilungsabkommen ist revisibel.[442]

[440] Umfassend BGH, Urt. v. 1.10.2008 – IV ZR 285/06, VersR 2008, 1560 = MDR 2009, 28 = UV-Recht Aktuell 2009, 179 m.w.N.; vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2011 – VI ZR 337/10, VersR 2011, 1526 = MDR 2011, 1354 = NZV 2012, 273; BGHZ 20, 385, 389; BGH VersR 1983, 534, 535; BGH VersR 1984, 526, 527; BGH VersR 1969, 641, 642; BGH VersR 1976, 923, 924.
[441] Vgl. BGH VersR 1969, 641, 642; BGH VersR 1984, 225, 226; BGH VersR 1993, 841 = NJW-RR 93, 911; st. Rspr.
[442] Dazu BGH, Urt. v. 12.6.2007 – VI ZR 110/06, VersR 2007, 1247 = NZV 2007, 507 = UV-Recht Aktuell 2007, 999; BGH, Beschl. v. 20.9.2005 – VI ZB 78/04, BGHZ 164, 117 = VersR 2005, 1751 = MDR 2006, 411 = HVBG-INFO 2006, 240; BGH VersR 1976, 923; BGH VersR 1993, 841 = NJW-RR 1993, 911; st. Rspr.

1. Ohne Prüfung der Sach- und Rechtslage

 

Rz. 360

Klauseln dieser Art beinhalten, dass die Prüfung der Frage ausgeschlossen ist, ob im Einzelfall ein Schadensersatzanspruch des Verletzten gegenüber dem Schädiger besteht.

Ungeprüft bleibt also

das Tun oder Unterlassen des Schädigers,
die haftungsbegründende Kausalität,
die Rechtswidrigkeit,
das Verschulden,
der Personenschaden,
die Unabwendbarkeit des Ereignisses (§ 7 Abs. 2 StVG),
ob sich der Unfall "bei dem Betrieb" des Kraftfahrzeugs ereignete,
ob ein vertraglicher Haftungsausschluss vorliegt oder
ob ein gesetzlicher Haftungsausschluss (§§ 104, 105 SGB VII) vorliegt.

Überdies bleiben ungeprüft alle

anspruchsvernichtenden Einwendungen, soweit sie sich auf den ursprünglichen Schadensersatzanspruch des Verletzten beziehen, sowie
Einreden.
 

Rz. 361

Rechtsprechung hierzu in zeitlicher Abfolge:

 

Rz. 362

Die Prüfung der Frage, ob der Unfall des Besuchers einer Gastwirtschaft auf dem Weg zur Toilette auf einem Verschulden des Verletzten oder des Haftpflichtigen beruht, ist im Rahmen des Teilungsabkommen ausgeschlossen.[443]

 

Rz. 363

Wurde beim Abschluss eines Teilungsabkommen auf die Prüfung der Haftungsfrage verzichtet, kann der Haftpflichtversicherer nicht einwenden, für den Schädiger liege ein unabwendbares Ereignis vor.[444]

 

Rz. 364

Ist ein Verzicht auf die Haftpflichtfrage vereinbart worden, so kann der Haftpflichtversicherer seiner Erstattungspflicht nicht mit dem Einwand begegnen, für den Schaden müsse noch ein weiterer Schädiger aufkommen.[445]

 

Rz. 365

Bei einem Verzicht auf die Haftungsfrage braucht der Sozialversicherungsträger den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Schadensfall (Krankheit) und einem konkreten Haftungsgrund weder glaubhaft zu machen noch nachzuweisen.[446]

 

Rz. 366

Wurde auf die Prüfung der Haftpflichtfrage verzichtet, so muss der Haftpflichtversicherer des nach §§ 104, 105 SGB VII (§§ 636, 637 RVO a.F.) privilegierten Schädigers, sofern im Teilungsabkommen keine abweichende Regelung getroffen ist, nach dem Inhalt des Teilungsabkommen regulieren. Die Prüfung würde eine unzulässige Auseinandersetzung über die Haftungsfrage bedeuten. Eine Abkommenshaftung würde nur dann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Haftungsausschluss offenkundig und eindeutig ist.[447] Abwicklung nach Teilungsabkommen erfolgt auch dann, wenn in einem anderen Rechtsstreit rechtskräftig festgestellt wurde, dass der Haftungsausschluss nach den §§ 636, 637 RVO (nunmehr §§ 104 f. SGB VII) eingreift.[448]

 

Rz. 367

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