Rz. 1

Wie bereits in der Einführung dargelegt, ist für den Ablauf der Zwangsvollstreckung die Art des jeweils titulierten Anspruchs von maßgeblicher Bedeutung. Das 8. Buch der ZPO ist in mehrere Abschnitte aufgeteilt:

1. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften (§§ 704 – 802 ZPO)
2. Abschnitt: Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 802a – 882h ZPO)
3. Abschnitt: Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen (§§ 883 – 898 ZPO)
4. Abschnitt: aufgehoben durch das Gesetz zur Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung zum 1.1.2013
5. Abschnitt: Einstweilige Rechtsschutzverfahren (Arrest und einstweilige Verfügung) (§§ 916 – 945b ZPO)
6. Abschnitt 6: Grenzüberschreitende vorläufige Kontenpfändung (§§ 946959 ZPO)
 

Rz. 2

In der Praxis steht vorab häufig die Überlegung, welche Vollstreckungsmaßnahme zuerst ergriffen wird. Dabei hängt die Art der Vollstreckung zunächst einmal von der Art des Titels ab. Einen Herausgabetitel vollstreckt man nicht auf dieselbe Weise wie einen Titel, der auf Zahlung einer Geldforderung lautet. Gleiches gilt für Titel die auf Erwirkung einer Handlung oder auf Unterlassung lauten. Je nachdem welche Titelart vollstreckt werden soll, ist auch die Vollstreckungsmaßnahme und das Vollstreckungsorgan zu bestimmen. Ohne dass hier der Anspruch erhoben wird, für jeden Einzelfall die richtige Lösung anbieten zu können, wird es doch häufig so sein, dass Vollstreckung eines Geldforderungstitels bei Schuldnern, die Firmen sind, zunächst die Kontenpfändung (siehe § 37) versucht wird. Denn die reibungslose Abwicklung des Zahlungsverkehrs ist für Firmen immens wichtig und durch die Kontenpfändung wird i.d.R. ein starker Druck auf den Schuldner aufgebaut, sich um seine Verbindlichkeiten schnell zu kümmern. Bei Schuldnern, die natürliche Personen sind, wird zuerst häufig die Abnahme der Vermögensauskunft (siehe § 36) vorangetrieben. So erhält man frühzeitig Auskunft über eventuell vorhandenes Vermögen oder pfändbare Gegenstände und Forderungen und kann dann gezielt mit weiteren Vollstreckungsmaßnahmen darauf zugreifen.

 

Rz. 3

Einzelne Vollstreckungsmaßnahmen werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt.

Bei der Überlegung, welche Maßnahme(n) im Einzelfall sinnvoll ist, sollten folgende Aspekte eine Rolle spielen:

1. Wie hoch ist die Vollstreckungsforderung?
  Oder: Sollte man bei einem Vollstreckungsbescheid mit einer Forderung in Höhe von 70,00 EUR tatsächlich eine Aufenthaltsermittlung durch den Gerichtsvollzieher, die allein rund 60,00 EUR kosten kann, in Auftrag geben? Lautet ein Titel über 200.000,00 EUR wird der Mandant sicherlich bereit sein, mehr Geld in die Beitreibung zu investieren, als wenn es sich um eine kleine Forderung handelt. Die einzelnen Maßnahmen sollten daher immer auch im Verhältnis zur Vollstreckungsforderung stehen.
2. Welchen Wunsch hat der Mandant?
  Viele Mandanten geben konkret vor, "wie weit" man in der Vollstreckung gehen darf bzw. welche Kosten investiert werden dürfen. Manche Mandanten wollen alle rechtlichen Möglichkeiten "aus Prinzip" ausschöpfen. Hier sollte man den Mandanten ggf. aber darauf hinweisen, dass wenig erfolgversprechende Maßnahmen, die möglicherweise auch noch teuer sind, unter Umständen von ihm dauerhaft selbst getragen werden müssen. Denn der Schuldner muss Kosten nur erstatten, soweit diese notwendig waren, siehe § 788 ZPO.
3. Welche Kosten werden bei welcher Maßnahme ausgelöst?
  Wenn man kostenbewusst vollstreckt, kann es auch sinnvoll sein, zunächst das Ergebnis einer Vollstreckungsmaßnahme abzuwarten, und nicht mehrere Maßnahmen gleichzeitig zu starten.
4. Wieviel Zeit bleibt?
  Ist die Forderung hoch und man möchte einen raschen möglichst umfangreichen Vollstreckungszugriff, wird man sicher eher mehrere Maßnahmen gleichzeitig beauftragen, als wenn es sich um eine schon sehr alte Forderung handelt, mit deren Einbringlichkeit auch der Mandant vielleicht gar nicht mehr so sehr rechnet. Bei raschem, gleichzeitigem Zugriff sollte man an die Einholung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen denken, § 733 ZPO. Wenn man gegenüber dem Gericht begründet, wofür man diese benötigt, sollte man gleichzeitig auch immer darum bitten, von einer Anhörung des Schuldners abzusehen, da dies den Erfolg der Maßnahmen natürlich vereiteln würde.
5. Ist die Zwangsvollstreckung im Ausland durchzuführen?
  Mit vielen Ländern gibt es Vollstreckungsabkommen. Insbesondere bei Unterhaltsforderungen finden sich hier oft Vereinbarungen zwischen den Ländern. Die Vollstreckung im EU-Ausland ist in den letzten Jahren immer beliebter und auch durch die Anerkennung von Titeln leichter geworden.[1] Einige Regelungen haben hier für Erleichterungen gesorgt, so dass sich die Vollstreckung insbesondere im EU-Ausland lohnen kann. Ein Gläubiger hat verschiedene Möglichkeiten, im EU-Ausland zu vollstrecken. Neben der Möglichkeit, direkt im EU-Ausland zu klagen,[2] kann er das europäische Mahnverfahren (europäischer Zahlungsbefehl) betreibe...

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