A. Beauftragung eines Sachverständigen durch Verteidiger

 

Rz. 1

Manchmal kann es sinnvoll sein, wenn der Verteidiger eigene Ermittlungen anstellt oder aber die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft überprüfen lassen möchte. Dann empfiehlt sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens, etwa zur Frage der Wahrnehmbarkeit des Unfalls beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort.

 

Rz. 2

Muster 35.1: Beauftragung eines Sachverständigen

 

Muster 35.1: Beauftragung eines Sachverständigen

Sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. _________________________,

in einer strafrechtlichen Angelegenheit vertrete ich Herrn _________________________ wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Die Staatsanwaltschaft hat das beigefügte Gutachten zur Frage der Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalls eingeholt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, mein Mandant habe den Verkehrsunfall wahrnehmen müssen. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die Ausführungen in dem Gutachten.

Mein Mandant bestreitet weiterhin, den Unfall bemerkt zu haben. Namens und in Vollmacht meines Mandanten beauftrage ich Sie mit der Überprüfung des eingeholten Gutachtens sowie der Erstellung eines eigenen Gutachtens. Einen kompletten Auszug aus der Ermittlungsakte füge ich zu Ihrer weiteren Verwendung zum Verbleib bei.

Sollten Sie zu dem Ergebnis kommen, dass das Gutachten nicht zu beanstanden ist, bitte ich aus Kostengründen von der Erstellung eines eigenen Gutachtens abzusehen und mich telefonisch zu kontaktieren. Eine telefonische Auskunft wäre dann ausreichend.

Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich.

 

Rz. 3

 

Hinweis

Bei Verkehrsstraftaten gewähren die Rechtsschutzversicherer bei Taten, die vorsätzlich begangen werden können, nur vorläufigen Deckungsschutz (vgl. Muster-ARB des GDV mit Stand März 2016, dort 2.2.9). Im Falle der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Vorsatztat sind die Kosten zurückzuzahlen. Der Verteidiger sollte dies im Blick haben und die Kosten daher nicht ausufern lassen. Wesentlich günstiger als ein schriftliches Gutachten ist ein mündliches. Die meisten Sachverständigen bieten dies an. Konsequenz aus der lediglich vorläufigen Gewährung von Deckungsschutz ist auch, dass der Verteidiger in solchen Fällen einen auskömmlichen Vorschuss vom Rechtsschutzversicherer anfordern sollte. Denn zwischen Verteidiger und Versicherer besteht kein Vertragsverhältnis, so dass der Versicherer die gezahlten Gebühren nicht gegenüber dem Verteidiger regressieren kann.

 

Rz. 4

Muster 35.2: Information des Rechtsschutzversicherers über die Beauftragung eines Sachverständigen

 

Muster 35.2: Information des Rechtsschutzversicherers über die Beauftragung eines Sachverständigen

Sehr geehrte Damen und Herren,

um eine optimale Verteidigung gewährleisten zu können, ist die Beauftragung eines Sachverständigen erforderlich geworden. Dieser soll sich mit der Frage der Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalls für meinen Mandanten auseinandersetzen.

Ich habe daher mit dem zu Ihrer Kenntnisnahme beigefügten Schreiben den Sachverständigen _________________________ mit der Erstellung eines solchen Gutachtens beauftragt. Herr _________________________ ist ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Entsprechend Ihrer Versicherungsbedingungen haben Sie daher die Kosten für die Beauftragung zu übernehmen. Ich bitte um eine kurze Bestätigung.

 

Rz. 5

 

Hinweis

Rechtsschutzversicherer tragen in der Regel die Kosten eines Sachverständigen, der öffentlich bestellt und vereidigt ist (vgl. Muster-ARB des GDV mit Stand März 2016, dort 2.3.1.3). Der Verteidiger sollte vor Beauftragung prüfen, ob dies auch von den Bedingungen des Rechtsschutzversicherers des Mandanten umfasst ist und den Sachverständigen von vornherein entsprechend dieser Kriterien aussuchen. Tut er dies nicht, handelt es sich mitunter um eine Falschberatung, die ihn regresspflichtig gegenüber seinem Mandanten machen kann.

B. Verfahrenseinstellung gem. §§ 153/153a StPO – Vorgriff auf zivilrechtliche Ansprüche

 

Rz. 6

Für den Verteidiger kann es häufig sinnvoll sein, auf eine Verfahrenseinstellung gem. §§ 153/153a StPO hinzuwirken. Die Erfahrung zeigt, dass die Staatsanwaltschaften zumindest bei Verletzungen, die im Schweregrad nicht über Prellungen und HWS-Verletzungen hinausgehen, somit noch keine Schwerstverletzungen darstellen, durchaus zu einer Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO bereit sind.

 

Rz. 7

Oft ist es der Mandant, der dann im Hinblick auf seine eigenen zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Unfallgegner Sorge hat, dass die Zahlung einer Geldauflage einem "Schuldanerkenntnis" gleichzusetzen ist. Das ist unzutreffend. Das Strafverfahren ist losgelöst vom zivilrechtlichen Verfahren zu sehen. Die tatsächlichen Feststellungen aus anderen Gerichtsverfahren entfalten keine Bindungswirkung für den Richter des Zivilprozesses. Eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das Zivilprozess beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar.[1] Der Kläger ist im Zivilverfahren gehalten, substantiiert vorzutragen und hat insofern die Beweislast für die von ihm behaupteten Tatsachen. Demgegenüber gilt im Bußgeldverfahren der Amtsermittl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge