A. Die Regelungen zum Vorgehen bei Meinungsverschiedenheiten

 

Rz. 1

Die Regelung zum sog. "Stichentscheid" entspricht den Anforderungen des § 128 VVG (§ 158n VVG a.F.). Schließlich wurde in § 18 ARB 94 das Schiedsgutachterverfahren eingeführt. Dies ergab sich aus der Überlegung, dass der Anwalt, der den Stichentscheid fertigt, nicht die gleiche Garantie für Objektivität wie ein Schiedsgutachter als neutrale Person bietet. Stichentscheid und Schiedsgutachterverfahren sind alternativ möglich je nach Inhalt der vereinbarten ARB. In den ARB 2010 ist das Stichentscheid- bzw. Schiedsgutachterverfahren nunmehr in § 3a geregelt. In den früheren ARB war sedes materiae § 18.

B. Die obligatorischen Regelungen des § 128 VVG

 

Rz. 2

Nach § 128 VVG (§ 158n VVG a.F.) ist für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung rechtlicher Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, im Versicherungsvertrag bestimmt, ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Objektivität vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat gem. § 128 S. 2 VVG (§ 158n S. 2 VVG a.F.) den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Dieses Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten ist obligatorisch. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Rechtsschutzversicherer den Hinweis, so gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt. Die Bestimmung des § 128 VVG (§ 158n VVG a.F.) wiederum geht auf die EG-RL vom 22.6.1987 zurück.

Die Regelung des § 128 VVG (§ 158n VVG a.F.) zum obligatorischen Schlichtungsverfahren bezieht sich auf den Streit zwischen dem Versicherungsnehmer und der Rechtsschutzversicherung, nicht auf das Vorgehen des Versicherungsnehmers gegen seinen Kontrahenten.[1]

[1] Harbauer/Bauer, VVG, § 128 Rn 5.

C. Hinweispflicht auf Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten

I. Pflicht zum Hinweis auf Stichentscheid oder Schiedsgutachterverfahren

 

Rz. 3

Die Hinweispflicht ist gem. § 128 S. 2 VVG (§ 158n S. 2 VVG a.F.) auch bei teilweiser Ablehnung der Deckung zu erfüllen. Dies war bisher in einer geschäftsplanmäßigen Erklärung der Rechtsschutzversicherer vorgesehen.

 

Rz. 4

Die Hinweispflicht gem. § 128 S. 2 VVG (§ 158n S. 2 VVG a.F.) ist auch bei teilweise Ablehnung der Deckung zu erfüllen.[2]

 

Rz. 5

Fraglich ist jedoch, ob der Versicherungsnehmer auf sein Recht nach § 128 VVG (§ 158n VVG a.F.) hinzuweisen ist, wenn ihm dieses Recht bekannt ist. Entgegen OLG Karlsruhe[3] ist die Pflicht zum Hinweis auf das Recht, einen Stichentscheid herbeizuführen, obligatorisch. Es ist davon auszugehen, dass dies dem Normzweck entspricht, auch aus Gründen der Rechtssicherheit.

[2] Prölss/Armbrüster, VVG, § 128 Rn 6; vgl. auch OLG Köln r+s 2009, 507.

II. Rechtsfolgen des unterlassenen Hinweises

 

Rz. 6

Als Folge der Verletzung der Hinweispflicht ist in § 128 S. 3 VVG (§ 158n S. 3 VVG a.F.) statuiert, dass das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt gilt. Unabhängig hiervon kommt in Betracht, dass dem Versicherungsnehmer bei Verletzung der Hinweispflicht Schadenersatzansprüche erwachsen können.

 

Rz. 7

Die Fiktion der Anerkennung gilt freilich nur in dem Umfang, in dem der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer Ansprüche angemeldet hat.[4]

 

Rz. 8

Im Übrigen ist auch daran zu denken, dass sich bei unterlassenem Hinweis Schadenersatzansprüche für den Versicherungsnehmer ergeben können, jedoch immer mit der Einschränkung, dass hinreichende Aussicht auf Erfolg gegeben ist.

 

Rz. 9

Der Versicherer verliert das Recht, sich auf Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung zu berufen, wenn er Deckungsschutz ablehnt, ohne dabei auf die bestehende Möglichkeit eines Stichentscheides hinzuweisen. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer anwaltlich vertreten ist.[5]

 

Rz. 10

Ein Rechtsschutzversicherer, der wegen Aussichtslosigkeit einer Rechtsverfolgung den Eintritt verweigert, muss bei seiner Ablehnung auf die Möglichkeit des Stichentscheides hinweisen. Dieser kann im Deckungsprozess nicht mehr nachgeholt werden.[6] Abweichend von BGH[7] hat das OLG Köln erkannt, dass der Hinweis auf den Stichentscheid im Deckungsprozess durch den Rechtsschutzversicherer nicht mehr nachgeholt werden kann, wenn er dies nicht im Deckungsprüfungsverfahren bereits erklärt hat.[8] Dieser Ansicht ist auch zuzustimmen, weil nur so Rechtssicherheit für den Versicherungsnehmer gegeben ist, der wegen des nicht gegebenen Hinweises nicht den Weg des Stichentscheides, sondern des Deckungsprozesses gewählt hat. Wird dies erst im Deckungsprozess nachgeholt, hat der Versicherungsnehmer keine Möglichkeit mehr, sein Vorgehen im Hinblick auf die Erfolgsaussichten zu überdenken und evtl. kostenauslösende Maßnahmen zu unterlassen. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang relevant die gesetzliche Regelung des § 128 VVG (§ 158n VVG a.F.), wonach bereits das Fehlen der erforderlichen Mitteilung als Anerkenntnis der Erfolgsaussicht gilt.

[4] OLG Köln r+s 2002, 289, 291.
[5] LG Düsseldorf VersR 2006, 649.
[6] OLG Köln, Ur...

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