Rz. 61

Fehlerhaft ist das Urteil erst recht, wenn es keine Gründe enthält (OLG Köln VRS 86, 302). Bereits das zugestellte Urteil – wobei schon ein abgekürztes Urteil in der Fassung des Protokolls genügt (OLG Celle VRS 75, 461; OLG Bamberg zfs 2009, 175) – muss begründet sein.

 

Achtung: Keine nachträgliche Begründung mehr möglich

Nach Verlassen des inneren Dienstbereichs kann die Begründung nicht mehr nachgeholt oder das Urteil abgeändert werden (OLG Celle zfs 2011, 647; OLG Oldenburg DAR 2012, 345; OLG Dresden NZV 2012, 557).

Das gilt auch, wenn der Richter irrtümlich die Rechtskraft des Urteils unterstellt und deshalb von einer schriftlichen Urteilsbegründung abgesehen hat (KG DAR 2001, 228; OLG Bamberg zfs 2009, 175) bzw. der Meinung war, auch bei Abwesenheitsurteilen könne die Urteilsbegründung gem. § 77b OWiG nachgeholt werden (OLG Bamberg zfs 2009, 648; OLG Oldenburg DAR 2012, 345; OLG Dresden NZV 2012, 557; OLG Schleswig zfs 2015, 172), wobei allerdings dieser Fehler für sich alleine so lange nicht zur Zulassung zwingen soll, wie nicht noch sonstige Zulassungsgründe geltend gemacht werden (OLG Celle zfs 2018, 234).

Eindeutig ist die Situation indessen, wenn der Richter den Antrag der (abwesenden) Staatsanwaltschaft auf schriftliche Urteilsbegründung übersehen hatte. Dann können auf eine von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsbeschwerde hin die Urteilsgründe noch innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 S. 2 StPO zu den Akten gebracht werden (BGH zfs 1997, 274).

 

Rz. 62

 

Achtung: Übersendung des Hauptverhandlungsprotokolls zu Informationszwecken

Des Öfteren übersenden Richter das Hauptverhandlungsprotokoll formlos an die Staatsanwaltschaft, um diese über den Ausgang des Verfahrens zu informieren und gleichzeitig anzufragen, ob ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird. Da das Protokoll die Mindestvoraussetzungen für ein Urteil erfüllt (Tenor und Unterschrift des Richters) ist damit das Urteil aus dem inneren Dienstbereich gelangt und konnte eigentlich nicht mehr abgeändert werden. Der BGH (DAR 2013, 477) beurteilt das jedoch dann anders, wenn der Richter erkennbar ohne Zustellungswillen gehandelt hat.

 

Rz. 63

 

Achtung: Verspätete Absetzung des Urteils

Bei der Rüge der verspäteten Absetzung des Urteils handelt es sich im Gegensatz zur Rüge der fehlenden Urteilsgründe um eine Verfahrensrüge gem. §§ 71 OWiG, 275 StPO, die entsprechend begründet werden muss (OLG Bamberg zfs 2008, 704; OLG Koblenz zfs 2010, 650).

 

Rz. 64

Nach BGH NStZ 1997, 39 zwingt die Tatsache, dass das Urteil keine Gründe enthält, ohnehin nicht grundsätzlich zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (ebenso OLG Oldenburg zfs 1998, 116; OLG Stuttgart NZV 2009, 522; Göhler/Seitz[2]; a.A. OLG Frankfurt NZV 1998, 82).

[2] Göhler/Seitz, § 77b Rn 8, § 80 Rn 12 f., Rn 16h.

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