Rz. 2

Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht eines jeden, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt demgegenüber das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung. In diesem Spannungsfeld zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Rundfunk- und Pressefreiheit ist der Gegendarstellungsanspruch angesiedelt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gegendarstellungsanspruch Teil eines durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechts auf Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person.[1] Die Gegendarstellung setzt daher die Rechtswidrigkeit der in Frage stehenden Veröffentlichung nicht voraus.

 

Rz. 3

Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Relevanz des Gegendarstellungsanspruchs sehen – mit Abweichungen nur im Detail – sämtliche Landespressegesetze eine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen Betroffener vor. Daneben finden sich Gegendarstellungsbestimmungen in den Rundfunkgesetzen sowie den Rundfunkstaatsverträgen (vgl. bspw. Art. 56 RStV, Art. 9 ZDF-Staatsvertrag oder § 9 WDR-Gesetz).

 

Rz. 4

Inhaber eines Gegendarstellungsanspruchs ist jede Person oder Stelle, die von einer Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne dass die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung Anspruchsvoraussetzung ist.[2] Daraus folgt die einhellige gerichtliche Praxis, dass der Gegendarstellungsanspruch im Prinzip jedem zusteht, der die Unrichtigkeit einer ihn betreffenden veröffentlichten Tatsache auch nur behauptet. Unter einer "Person" sind in diesem Zusammenhang nicht nur natürliche Personen, sondern auch solche Vereinigungen juristischer oder natürlicher Personen zu verstehen, die jedenfalls partiell rechtsfähig sind und vor Gericht klagen oder verklagt werden können. Bejaht wurde eine Anspruchsberechtigung bspw. für Bürgerinitiativen,[3] Gewerkschaften, Vereine,[4] Parteien,[5] Ministerien oder sonstige Behörden,[6] Gesetzgebungsorgane[7] sowie Unternehmen.[8] Die namentliche Nennung des Betroffenen ist nicht erforderlich; eine Identifizierbarkeit genügt.[9]

 

Rz. 5

Anspruchverpflichtete sind nach den Presse- und Mediengesetzen der verantwortliche Redakteur, der Verleger (siehe z.B. § 11 PresseG NW) bzw. der "Veranstalter" (§ 18 Abs. 1 LRG NW), aber auch Telemedien (Art. 56 RStV).

Gegendarstellungsfähig sind ausweislich der Landesrundfunk- und Pressegesetze nur Tatsachenbehauptungen.[10] Unter dem Behaupten von Tatsachen versteht die Rechtsprechung die Darstellung eines bestimmten Tatbestandes als Gegenstand eigener Feststellung oder Überzeugung. Tatsachen müssen im Gegensatz zu bloßen Meinungsäußerungen auf ihre Richtigkeit hin objektiv, mit den Mitteln der Beweiserhebung überprüfbar sein. Entscheidend ist somit, ob der unbefangene durchschnittliche Leser oder Hörer einer Äußerung ihr einen im Wege der Beweiserhebung auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfbaren Sachverhalt entnimmt.[11] Keine Tatsachen sind daher Meinungen, Werturteile, Polemik, Schmähkritik, Rechtsauffassungen oder Prognosen.[12] Die Abgrenzung ist häufig schwierig, wenn es sich um mehrdeutige Äußerungen handelt, die subjektive und objektive Elemente aufweisen. Im Beispielsfall ist die Angabe, V habe ein "unangemessen hohes Gehalt bezogen" eine Meinungsäußerung. Gleiches gilt für die Angabe, Investorengespräche "torpediert" und einen "rüden Umgangston" zu haben. Hingegen stellt ein dem V zugeschriebenes Zitat eine Tatsachenbehauptung dar, ebenso wie der Hinweis auf den Entzug von Ressorts und die Angaben zu Unternehmensdaten. Generell richtet sich die Beurteilung danach, welches Element überwiegt,[13] wobei im Sinne der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit der Tatsachengehalt überwiegen muss.[14] Kritik stellt demgemäß – auch in stark überzeichneter Form – eine Meinungsäußerung dar, selbst wenn sie einen Tatsachenkern enthält, und ist daher regelmäßig hinzunehmen.[15]

Die bloße "Verbreitung" einer Tatsachenbehauptung ist für einen Gegendarstellungsanspruch ausreichend (vgl. den Wortlaut des § 9 WDRG "In seiner Sendung verbreitete Tatsachenbehauptung"). Sobald die Tatsachenbehauptung allgemein zugänglich gemacht wird, entsteht der Gegendarstellungsanspruch. Es kommt nicht darauf an, wie viele Hörer oder Leser die Sendung oder den Bericht tatsächlich zur Kenntnis genommen haben. Weiterhin folgt aus der Anknüpfung an den Tatbestand des "Verbreitens", dass eine Haftung der Medien auch dann in Betracht kommt, wenn sie Aussagen Dritter[16] weitergeben. Eine wichtige Ausnahme findet sich jedoch in den meisten Landesrundfunk- und Pressegesetzen für Gerichts- und Parlamentsberichte (vgl. bspw. § 9 Abs. 7 WDRG, § 44 Abs. 6 LMG NW oder § 11 Abs. 5 PresseG NW).

 

Rz. 6

Hinsichtlich des Inhaltes einer Gegendarstellung gilt das Prinzip "Tatsachen gegen Tatsachen".[17] Die Gegendarstellung darf nur Tatsachenbehauptungen angreifen und ihrerseits nur aus Tatsachen bestehen. Im Beispielsfall wäre es V z.B. nicht möglich, im Rahmen einer Gegendarstellung zu erläutern, warum...

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