Rz. 38

Der Haftpflichtversicherer hat im Adhäsionsverfahren keine Beteiligtenstellung, und zwar weder auf der Aktiv- noch auf der Passivseite.[49] Eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) ergehende Entscheidung entfaltet daher weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht.[50]

 

Rz. 39

Eine entsprechende Anwendung der für den Deckungsprozess geltenden Bindungswirkung auf den Haftungsprozess nach vorausgegangenem Adhäsionsverfahren hat der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung mit Recht abgelehnt. In jener Fallgestaltung entfaltet der vorangegangene Haftpflichtprozess Bindungswirkung nicht nur zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer für den nachfolgenden Deckungsprozess, sondern auch zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Hiernach wird die Haftpflichtfrage grundsätzlich abschließend im Haftpflichtprozess entschieden (sog. Trennungsprinzip).[51]

 

Rz. 40

Diese Grundsätze sind ausweislich der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden Fall, in dem der Haftpflichtversicherer nicht im Deckungsprozess von seinem Versicherungsnehmer, sondern im Wege der Direktklage durch den Geschädigten in Anspruch genommen wird, nicht anwendbar. Sie würde dazu führen, dass die in § 124 Abs. 1 VVG (§ 3 Nr. 8 PflVG a.F.)[52] auch zum Schutz des Versicherers angeordnet begrenzte Rechtskrafterstreckung zu seinem Nachteil unterlaufen würde. Hinzu kommt, dass der Versicherer an dem Adhäsionsverfahren nicht beteiligt ist. Er kann – anders als in einem gegen seinen Versicherungsnehmer (Schädiger) vor dem Zivilgericht geführten Haftungsprozess – das Verfahren weder als Prozessvertreter des Beschuldigten führen, noch hat er die Möglichkeit, zur Wahrung seiner Interessen dem Verfahren als Nebenintervenient beizutreten. Ersichtlich auch aus diesen Erwägungen heraus hat der Gesetzgeber bei der Einführung des Direktanspruchs[53] die in § 3 Nr. 8 PflVG a.F. angeordnete Rechtskrafterstreckung auf Klage abweisende Urteile beschränkt.[54]

 

Rz. 41

Im Ergebnis entspricht das auf Antrag des Geschädigten gegen den Beschuldigten (Schädiger) eingeleitete Adhäsionsverfahren dem Haftpflichtprozess des Dritten (Geschädigten) gegen den Schädiger. Die Entscheidung in diesem Rechtsverhältnis steht nach § 406 Abs. 3 StPO dem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Sie entfaltet weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht.

[49] Vgl. auch OLG Karlsruhe MDR 1984, 336; zu den sich daraus ergebenden Problemen für die Schadensregulierung und das Versicherungsinnenverhältnis im Einzelnen Schirmer, Das Adhäsionsverfahren nach neuem Recht – die Stellung der Unfallbeteiligten und deren Versicherer, DAR 1988, 121, 126 ff.
[50] BGH, Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013, 1163 = JZ 2013, 1166 = DAR 2013, 258 = NZV 2013, 231. Hierzu ­Foerster, JZ 2013, 1143 sowie Höher/Mergner, NZV 2013, 373.
[51] Vgl. BGH, Urt. v. 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 m.w.N.; BGH, Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 55/12, NJW 2013, 1163 = DAR 2013, 258 = JZ 2013, 1166; dazu Foerster, JZ 2013, 1143; Höher/Mergner, NZV 2013, 373.
[52] Zu § 124 VVG siehe auch die Ausführungen bei § 5 Rdn 29 ff.
[53] Hierzu siehe § 5 Rdn 20 ff.
[54] Zum Ganzen Problemkreis eingehend BGH, Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 55/12 a.a.O.; Foerster, JZ 2013, 1143 sowie Höher/Mergner, NZV 2013, 373.

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