Rz. 198

Erfolgt die Betreuung eines Verletzten innerhalb der Familie, ist diese für den Ersatzpflichtigen einerseits nicht kostenlos, andererseits ist auch nicht auf die Kosten einer fremden Hilfskraft abzustellen.[263] Die zusätzliche Mühewaltung der Verwandten ist angemessen auszugleichen.[264]

 

Rz. 199

Betreuungsaufwendungen naher Angehöriger sind nur dann erstattungsfähig, wenn sie in einem Bereich liegen, der über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinausgeht, so dass nicht nur theoretisch, sondern als praktische Alternative ein vergleichbarer Ersatz fremder Hilfskräfte in Betracht kommt.[265] Pflege- und Betreuungsleistungen, die auch einem berufsmäßigen Helfer übertragen werden können, sind grundsätzlich erstattungsfähig.[266]

 

Rz. 200

Der Schädiger kann nicht die eventuell bestehende Unterhaltspflicht der Eltern (§ 1601 BGB) oder deren gesetzliche Betreuungspflicht (§ 1612 I u. II BGB) entgegenhalten.[267] Wird das Unfallopfer vom Schadenersatzpflichtigen selbst gepflegt, weil dieser dem Verletzten gegenüber unterhaltspflichtig ist, geht der gegen den Haftpflichtversicherer gerichtete Anspruch auf Ersatz der Kosten dieser erforderlichen Pflegeleistungen auf den pflegenden Schädiger über.[268]

 

Rz. 201

Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, eine Hilfs- oder Pflegekraft einzustellen, sondern kann – orientiert am jeweils konkreten Bedarf – Ersatz der fiktiven Kosten fordern.[269]

 

Rz. 202

Für die Angemessenheit ist zu sehen, dass Familienangehörige die Hilfeleistungen für die vorgegebene Haushaltsgemeinschaft weniger belastend und zeitaufwendig gestalten können. Die zusätzlichen Aufgaben sind für die Eltern eine Ergänzung ihrer bisherigen Pflichten, so dass Rationalisierungseffekte zu berücksichtigen sind.[270]

 

Rz. 203

Die Leistungen der Angehörigen sind marktgerecht zu bewerten.[271] Ist ein Kind dauerhaft pflegebedürftig und wird es durch seine Mutter gepflegt, so ist dem Kind, wenn seine Mutter ihren Beruf deshalb aufgibt, der Marktwert der Pflegeleistung – orientiert am Lohn einer ungelernten Kraft oder Pflegehelferin, nicht aber dem früheren Einkommen der Mutter – zu ersetzen.[272]

 

Rz. 204

Es ist anzumerken, dass bislang ungelernte Pflegekräfte nicht sehr gut bezahlt werden.[273]

[263] BGH v. 1.10.1985 – VI ZR 195/84 – DAR 1986, 49 = VersR 1986, 59, 173 = VRS 70, 1 = zfs 1986, 73.
[264] BGH v. 1.10.1985 – VI ZR 195/84 – DAR 1986, 49 = VersR 1986, 59, 173 = VRS 70, 1 = zfs 1986, 73; OLG Nürnberg v. 13.7.1984 – 1 U 983/84 – und BGH v. 1.10.1985 – VI ZR 195/84 – DAR 1986, 49 = VersR 1986, 59, 173 = VRS 70, 1 = zfs 1986, 73; OLG Zweibrücken v. 30.6.1998 – 5 U 26/95 – AHRS 0170/104, 0280/109, 0495/105, 2500/188 = OLGR 1999, 153 (nur Ls.) (Aktenzeichen der Revision: VI ZR 248/98) (Entspricht der personelle Pflegeaufwand einer Vollzeitbeschäftigung von mindestens 8 Stunden täglich, orientiert sich die Höhe der Geldrente am Nettolohn, den die Kindesmutter in ihrem Beruf als Krankenschwester verdienen könnte).
[265] OLG Oldenburg v. 6.2.2008 – 5 U 34/07 – SVR 2010, 57 = VersR 2009, 797.
[267] OLG Nürnberg v. 13.7.1984 – 1 U 983/84 – und BGH v. 1.10.1985 – VI ZR 195/84 – DAR 1986, 49 = VersR 1986, 59, 173 = VRS 70, 1 = zfs 1986, 73.
[268] OLG München (Augsburg) v. 30.5.1995 – 24 W 152/94 – NJW-RR 1995, 1239 = NZV 1997, 402 (Anm. Huber NZV 1997, 377); siehe auch OLG Hamm v. 17.8.1993 – 27 U 144/92 – NZV 1994, 68 = r+s 1994, 15 (Anm. Lemcke) = zfs 1993, 333; siehe auch BGH v. 15.6.2004 – VI ZR 60/03 – BGHReport 2004, 1415 (Anm. Schiemann) = BGHZ 159, 318 = DAR 2004, 517 = FamRZ 2004, 1471 = MDR 2004, 1295 = NJW 2004, 2892 = NZV 2004, 514 = r+s 2004, 390 = SP 2004, 261, 297 = SVR 2004, 467 (nur Ls.) (Anm. Schröder) = VersR 2004, 1147 = VRS (2004) 107, 251 = zfs 2004, 506; Jahnke/Thinesse-Wiehofsky, § 3 Rn 58 ff. m.w.H.
[269] BGH v. 1.10.1985 – VI ZR 195/84 – DAR 1986, 49 = VersR 1986, 59, 173 = VRS 70, 1 = zfs 1986, 73; BGH v. 8.11.1977 – VI ZR 117/75 – MDR 1978, 396 = VersR 1978, 149.
[270] OLG Hamm v. 17.8.1993 – 27 U 144/92 – NZV 1994, 68 = r+s 1994, 15 = zfs 1993, 333.
[271] BGH v. 8.11.1977 – VI ZR 117/75 – MDR 1978, 396 = VersR 1978, 149.
[272] BGH v. 10.11.1998 – VI ZR 354/97 – VersR 1999, 252; OLG Bremen v. 21.4.1998 – 3 U 45/96 – NJW-RR 1999, 1115 = OLGR 1999, 148 = VersR 1999, 1030 (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 24.11.1998 – VI ZR 169/98 –); OLG Koblenz v. 14.3.1991 – 5 U 1789/89 – VersR 1992, 612 (nur Ls.). Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Jahnke, § 843 BGB Rn 34, 36, Jahnke/Thinesse-Wiehofsky, § 3 Rn 56.
[273] Jahnke/Thinesse-Wiehofsky, § 3 Rn 55.

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