Rz. 17

Der Umstand, dass Fremdverhalten Schäden herbeigeführt hat, bedeutet nicht automatisch, dass hierfür stets auch jemand anderer einzustehen hat. Materielle Vermögenseinbußen und immaterielles Schmerzensgeld sind nur dann zu zahlen, wenn eine Anspruchsnorm einen Ersatzanspruch dem Grunde nach dem Beeinträchtigten zuweist und einen Dritten zum Ersatz verpflichtet (siehe § 2 Rn 25 ff.).

 

Rz. 18

Es gibt durchaus Fälle, in denen ein Geschädigter zwar ein Unglück erleidet, gleichwohl aber dem Schädiger kein Unrecht vorhalten kann und seinen Schaden selbst tragen muss.[31] Es ist zu sehen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch.[32] Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.[33] Zur Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden; es reicht vielmehr aus, nur solche Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung Anderer tunlichst abzuwenden.[34] Kommt es in Fällen, in denen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – seinen Schaden selbst tragen: "Er hat ein “Unglück’ erlitten und kann dem Schädiger kein “Unrecht’ vorhalten."[35]

 

Rz. 19

Die Entscheidung des Gesetzgebers, jedenfalls bei fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen die Ersatzpflicht von einer Rechtsverletzung bzw. Rechtsgutverletzung (§ 823 I BGB) oder einer Schutzgesetzverletzung (§ 823 II BGB) abhängig zu machen, dient vor allem dem Ziel, den Kreis der Ersatzberechtigten auf die Inhaber des Rechts bzw. Rechtsgutes und die unter dem Schutzzweck der verletzten Norm Stehenden zu beschränken.[36]

 

Rz. 20

Gegenüber Einrichtungen, die sich dem Opferschutz aus freiwilligen Stücken heraus verschrieben haben (z.B. Weißer Ring), besteht kein Rechtsanspruch auf deren satzungsgemäße Leistungen.[37] Caritative Begünstigungen stehen in der Disposition des Spendenwilligen, ohne an Art. 3 GG gebunden zu sein.[38]

[31] BGH v. 25.2.2014 – VI ZR 299/13 –; BGH v. 1.10.2013 – VI ZR 369/12 – DAR 2014, 23 (nur Ls.) = MDR 2014, 30 = VersR 2014, 78; BGH v. 8.11.2005 – VI ZR 332/04 – BGHReport 2006, 233 = JA 2006, 404 (nur Ls.) = MDR 2006, 569 = NJW 2006, 610 = NZV 2006, 195 (nur Ls.) = r+s 2006, 212 = VersR 2006, 233; BGH v. 15.7.2003 – VI ZR 155/02 – BGHReport 2003, 1200 = IVH 2003, 226 (nur Ls.) = MDR 2003, 1352 = NJW-RR 2003, 1459 = NZV 2004, 79 = r+s 2004, 390 = VersR 2003, 1319 = zfs 2003, 583; BGH v. 15.4.1975 – VI ZR 19/74 – VersR 1975, 812.
[32] BGH v. 2.10.2012 – VI ZR 311/11 – BGHZ 195, 30 = jurisPR-BGHZivilR 1/2013 Anm. 1 (Anm. Nassall) MDR 2012, 1410 = NJW 2013, 48 (Anm. Duhme NJW 2013, 17) = RdL 2013, 9 = r+s 2013, 97 = VerkMitt 2013, Nr. 15 = VersR 2012, 1528 (Anm. Braun) = zfs 2013, 76 (Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren); BGH v. 15.2.2011 – VI ZR 176/10 – MDR 2011, 422 = NJW-RR 2011, 888 = NZV 2011, 440 (nur Ls.) = RdL 2011, 151 = r+s 2011, 177 = VersR 2011, 546 (Im Allgemeinen begründen Schussgeräusche einer Jagd für sich noch keine potentielle Gefahr für Rechtsgüter Dritter); BGH v. 9.9.2008 – VI ZR 279/06 – BGHReport 2009, 6 = DAR 2009, 83 = MDR 2008, 1392 = NJW 2008, 3778 = NJW-Spezial 2009, 714 = NZV 2009, 29 = r+s 2009, 35 = SP 2008, 425 = VersR 2008, 1551 = VRS 115, 246 = zfs 2009, 10; BGH v. 8.11.2005 – VI ZR 332/04 – BGHReport 2006, 233 = JA 2006, 404 (nur Ls.) = MDR 2006, 569 = NJW 2006, 610 = NZV 2006, 195 (nur Ls.) = r+s 2006, 212 = VersR 2006, 233; BGH v. 15.4.1975 – VI ZR 19/74 – VersR 1975, 812.
[33] BGH v. 1.10.2013 – VI ZR 369/12 – DAR 2014, 23 (nur Ls.) = MDR 2014, 30 = VersR 2014, 78; BGH v. 9.9.2008 – VI ZR 279/06 – BGHReport 2009, 6 = DAR 2009, 83 = MDR 2008, 1392 = NJW 2008, 3778 = NJW-Spezial 2009, 714 = NZV 2009, 29 = r+s 2009, 35 = SP 2008, 425 = VersR 2008, 1551 = VRS 115, 246 = zfs 2009, 10; BGH v. 8.11.2005 – VI ZR 332/04 – BGHReport 2006, 233 = JA 2006, 404 (nur Ls.) = MDR 2006, 569 = NJW 2006, 610 = NZV 2006, 195 (nur Ls.) = r+s 2006, 212 = VersR 2006, 233; BGH v. 21.4.1964 – VI ZR 39/63 – VersR 1964, 746.
[34] Zu den Haftungsanforderungen bei Verkehrssicherungspflichtverletzung siehe ausführlich und die Rechtsprechung zusammenfassen BGH v. 1.10.2013 – VI ZR 369/12 – DAR 2014, 23 (nur Ls.) = MDR 2014, 30 = VersR 2014, 78 (Bei Fahrlässigkeitsdelikten ist vielfach nicht nur der Schädiger zur Abwehr oder Minderung der Verletzung in der Lage, sondern Eintritt und Umfang des Schadens hängen ebenso von den Sorgfaltsvorkehrungen des später Geschädigten ab. Dieser ist aufgerufen, sich auch selbst zu schützen; die Verhaltensanforderungen an die ...

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