Rz. 107

Stellt sich ein Schaden bei wertender Betrachtungsweise als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar, entfällt eine Ersatzpflicht letztlich wegen des inneren Zusammenhanges zwischen der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage und dem eingetretenen Schaden; dem Schutzzweck der Schadenersatznormen (siehe dazu Rn 38 ff.) ist Rechnung zu tragen.[153]

 

Rz. 108

Der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen Unglück und Schaden fehlt u.a., wenn sich jemand von Berufswegen (z.B. Feuerwehr, Polizei, Sanitäter) zu einer Unglücksstelle begibt.[154]

 

Rz. 109

Schreckzustände sind Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos und unterfallen nicht dem Schutzzweck der deliktischen Haftung (ergänzend siehe Rn 66).[155]

 

Rz. 110

Kommt es bei Unfallzeugen (Gleiches gilt für Beifahrer im Unfallfahrzeug[156]) zu einer Schädigung, die aus der bloßen Anwesenheit bei einem schrecklichen Ereignis herrührt, ist dieses dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen (siehe Rn 65).[157]

 

Rz. 111

Die Einstandspflicht eines Schädigers erstreckt sich nicht auf solche Folgeschäden seiner unerlaubten Handlung, die bei wertender Betrachtung nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der Unfallverletzung des Geschädigten stehen, sondern mit dieser nur eine bloß zufällige äußere Verbindung haben und sich deshalb letztlich als Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellen.[158]

 

Rz. 112

Der haftungsrechtliche Zusammenhang fehlt, wenn nicht der Unfall selbst sondern erst nachträgliche Ereignisse, durch die ein neuer Gefahrenkreis eröffnet wird, zum Tode führen (z.B. Herzinfarkt infolge der Aufregung über die polizeiliche Unfallaufnahme und die Vorwürfe des anderen Unfallbeteiligten,[159] unfallunabhängige Operation anlässlich der Unfallbehandlung).[160]

 

Rz. 113

Wird jemand erst anlässlich der Schadensbegutachtung verletzt, entfällt ein Schadensersatzanspruch.[161]

[153] BGH v. 22.4.1986 – VI ZR 77/85 – BB 1986, 2160 = DB 1986, 1815 = NJW-RR 1986, 1350 = MDR 1987, 43 = VersR 1986, 916 = VRS 71, 256; BGH v. 6.6.1989 – VI ZR 241/88 – BGHZ 107, 359 = DAR 1989, 291 = JR 1990, 112 (Anm. Dunz) = JuS 1990, 143 (Anm. Emmerich, weitere Anm. Lipp JuS 1991, 809) = JZ 1989, 1069 (Anm. Bar) = MDR 1989, 899 = NJW 1989, 2616 (Anm. Börgers NJW 1990, 2535) = NJW-RR 1989, 1299 (nur Ls.) = NZV 1989, 391 = r+s 1989, 283 (nur Ls.) = VersR 1989, 923 = VRS 77, 248 = zfs 1989, 335 (Revision zu OLG Köln v. 31.5.1988 – 15 U 197/87 – zfs 1989, 42); OLG Nürnberg v. 24.5.2005 – 1 U 558/05 – DAR 2006, 635 = NZV 2008, 38 = r+s 2006, 395 = r+s 2007, 213 = SP 2006, 348 = zfs 2006, 560 (Anm. Diehl) (BGH hat die Revision nicht angenommen, Beschl. v. 11.7.2006 – VI ZR 105/05 –).
[154] OLG Celle v. 28.4.2005 – 9 U 242/04 – VersR 2006, 1376 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 16.5.2006 – VI ZR 108/05 –) (Dem mittelbar geschädigten Retter stehen mangels Zurechnungszusammenhang keine Ersatzansprüche zu. Die Gefährdungshaftung der Bahn ist zudem auf solche Vorgänge beschränkt, bei denen sich gerade die Eigentümlichkeiten des Bahnverkehrs realisieren, vornehmlich Unfälle beim Ein- und Aussteigen und Rangieren.); Burmann/Heß/Jahnke/Janker-Jahnke, vor § 249 BGB Rn 31, 59.
[155] BGH v. 22.5.2007 – VI ZR 17/06 – BGHReport 2008, 920 = BGHZ 172, 263 = DAR 2007, 515 = JR 2008, 205 = JZ 2007, 1154 (Anm. Teichmann) = MDR 2007, 1015 = NJW 2007, 2764 (Anm. Elsner) = NJW-Spezial 2007, 352 = NZV 2007, 510 = r+s 2007, 388 = SP 2007, 248, 317 = VersR 2007, 1093 = VRS 113, 191 = zfs 2007, 626 (Anm. Diehl); OLG Celle v. 28.4.2005 – 9 U 242/04 – VersR 2006, 1376 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 16.5.2006 – VI ZR 108/05 –) (Dem mittelbar geschädigten Retter stehen mangels Zurechnungszusammenhang keine Ersatzansprüche zu, wenn er sich von Berufs wegen zur Unglückstelle begibt); OLG Köln v. 29.7.1999 – 1 U 27/99 – NJW-RR 2000, 760 = OLGR 2000, 22; OLG Oldenburg v. 27.3.2001 – 12 U 03/01 – DAR 2001, 313; Diehl zfs 2007, 628.
[156] LG Magdeburg v. 14.3.2007 – 10 O 2703/06 – SP 2008, 46 (Beifahrer eines unfallbeteiligten Fahrzeuges, die körperlich nicht verletzt wurden, sind – anders als der Fahrer – nicht unmittelbar am Haftungsgeschehen beteiligt, sondern wie andere Zeugen auch ohne Ersatzanspruch).
[157] BGH v. 22.5.2007 – VI ZR 17/06 – BGHReport 2008, 920 = BGHZ 172, 263 = DAR 2007, 515 = JR 2008, 205 = JZ 2007, 1154 (Anm. Teichmann) = MDR 2007, 1015 = NJW 2007, 2764 (Anm. Elsner) = NJW-Spezial 2007, 352 = NZV 2007, 510 = r+s 2007, 388 = SP 2007, 248, 317 = VersR 2007, 1093 = VRS 113, 191 = zfs 2007, 626 (Anm. Diehl) (Die aus der bloßen Anwesenheit bei einem schrecklichen Ereignis herrührende psychische Beeinträchtigung ist dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen); OLG Karlsruhe v. 10.7.1998 – 10 U 27/98 – OLGR 1998, 308; BGH v. 12.11.1985 – VI ZR 103/84 – MDR 1986, 487 = NJW 1986, 777 = r+s 1986, 68 = VersR 1986, 240 (Anm. Dunz VersR 1986, 448) = zfs 1986, 131, 135 (zu II.2.c) betont, dass der Betroffene nicht als unbeteiligter Dritter ein zufälliger Zeuge eines Verkehrsunfalls, s...

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