Rz. 65

Die Zukunftsprognose richtet sich wesentlich an der hypothetischen beruflichen und privaten Entwicklung des Verstorbenen aus,[70] ergänzt um die unterhaltsrechtlich relevanten Veränderungen bei den etwaig vorhandenen weiteren Unterhaltspflichtigen. Gegebenenfalls muss gestuft geklagt und tenoriert werden (Rdn 85 f.).

 

Rz. 66

Wer nach § 844 Abs. 2 BGB auf Schadenersatz klagt, hat nach § 256 ZPO nur dann ein rechtliches Interesse an einer neben der Leistungsklage zu erhebenden Feststellungsklage, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfange durch den Klageantrag auf Zahlung der Geldrente erfasst wird oder erfasst werden kann.[71]

 

Rz. 67

Einer Änderung der Verhältnisse, die für die Entscheidung über die Entrichtung der Geldrente maßgebend waren, ist über §§ 323, 323a ZPO Rechnung zu tragen.[72]

 

Rz. 68

Die Eltern eines unfallbedingt getöteten Kindes können ihre vermeintlichen zukünftigen Unterhaltsansprüche im Wege der Feststellungsklage sichern, wenn der Versicherer keinen ausreichenden Verjährungsverzicht abgibt.[73] Das Feststellungsinteresse für eine Klage entfällt bei urteilsersetzendem Anerkenntnis des Versicherers.[74] Als Grundlage kommt nur ein Ersatzanspruch wegen entzogenen Barunterhaltes, nicht jedoch wegen fortfallender Betreuung in Betracht, da der Anspruch auf Betreuungsunterhalt mit der Volljährigkeit endet (Rdn 69). Für einen künftigen Unterhaltsanspruch des Geschädigten (= spätere Unterhaltspflicht des Getöteten) wird eine gewisse Wahrscheinlichkeit verlangt, insbesondere seine Bedürftigkeit und die künftige Leistungsfähigkeit des Getöteten. Der Wahrscheinlichkeitsprüfung sind alle im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bekannten Umstände zugrunde zu legen.[75] Die bloß allgemein denkbare Möglichkeit, bedürftig zu werden, reicht nicht aus:[76] Sind die Eltern sozialversichert oder beamtenrechtlich versorgt, sind womöglich auch noch Geschwister des Verstorbenen vorhanden, kann sich mangels ausreichender Wahrscheinlichkeit eine Feststellungsklage als unbegründet herausstellen.[77] Es kann keine isolierte Feststellung dahingehend begehrt werden, dass das getötete Kind später einen bestimmten Berufsweg genommen hätte; es handelt sich dabei nicht um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses (wie von § 256 ZPO gefordert).[78]

 

Rz. 69

Der Betreuungsschaden tritt nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres neben einen Barunterhaltsanspruch. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres können keine Ansprüche wegen entzogenen Betreuungsunterhaltes (Naturalunterhalt) mehr geltend machen werden.[79]

[70] BGH v. 3.12.1951 – III ZR 119/51 – BGHZ 4, 133 (Die mutmaßliche Leistungsfähigkeit des Getöteten ist anhand der im Zeitpunkt der Urteilsfindung bekannten Tatsachen zu prüfen. Eine bestimmte Altersgrenze, von der an die mutmaßliche Leistungsfähigkeit eines getöteten Kindes erst beurteilt werden kann, ist nicht festzulegen.); OLG Hamm v. 4.11.1991 – 6 U 109/91 – OLGR 1992, 44.
[71] BGH v. 4.11.1975 – VI ZR 217/73 – VersR 1976, 291; BGH v. 4.4.1952 – III ZA 20/52 – BGHZ 5, 314 = NJW 1952, 740.
[72] BGH v. 4.4.1952 – III ZA 20/52 – BGHZ 5, 314 = NJW 1952, 740.
[73] OLG Celle v. 19.3.1987 – 5 U 122/86 – NJW-RR 1988, 990; OLG Düsseldorf v. 23.3.1994 – 15 U 282/92 – SP 1994, 210 (Voraussetzung ist, dass der Eintritt eines zukünftigen Unterhaltsschadens hinreichend wahrscheinlich ist); zu Einzelheiten Jahnke, Unfalltod und Schadenersatz, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn 198 ff.
[74] OLG Oldenburg v. 19.1.2011 – 5 U 48/10 – BeckRS 2011, 10925 = MDR 2011, 1202 = NZV 2011, 446 (Anm. Küppersbusch) = SP 2011, 251 = VersR 2011, 1027 = VRR 2011.
[75] BGH v. 3.12.1951 – III ZR 119/51 – BGHZ 4, 133 = NJW 1952, 539.
[76] OLG Jena v. 3.12.2008 – 2 U 157/08 – RdL 2010, 9 = zfs 2010, 79 (BGH hat Revision nicht angenommen, Beschl. v. 13.10.2009 – VI ZR 342/08).
[77] LG Rostock v. 9.2.2001 – 9 O 342/99 – SP 2001, 302 (Allein die theoretische Wahrscheinlichkeit einer möglichen Anspruchsberechtigung aus §§ 1601 ff. BGB reicht nicht aus; erforderlich ist schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit).
[78] OLG Oldenburg v. 19.1.2011 – 5 U 48/10 – BeckRS 2011, 10925 = MDR 2011, 1202 = NZV 2011, 446 (Anm. Küppersbusch) = SP 2011, 251 = VersR 2011, 1027 = VRR 2011 (Die von den Eltern einer bei einem Unfall verstorbenen Schülerin begehrte Feststellung, dass die Berechnung eines späteren eventuellen Unterhaltsanspruches auf der Basis einer bestimmten beruflichen Tätigkeit und dem entsprechenden durchschnittlichen Arbeitsverdienst erfolge, ist unzulässig).
[79] BGH v. 17.1.2007 – XII ZR 166/04 – BGHReport 2007, 346 = FamRZ 2007, 542 = MDR 2007, 723 (nur Ls.) = NJW 2007, 1747 (An die Stelle des Betreuungsbedarfs tritt u.U. ein erhöhter Barunterhaltsbedarf); BGH v. 9.1.2002 – XII ZR 34/00 – BGHReport 2002, 498 (Anm. Hauß) = FamRZ 2002, 815 = MDR 2002, 826 = NJW 2002, 2026; BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 215/92 – FamRZ 1994, 1013 = MDR 1994, 1013 = NJW 1994, 1530; OLG München v. 11.5.2005 – 20 U 5275/04; OLG Oldenburg v. 14.8.2009 – ...

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