Rz. 271

Das "Wahlverfahren" ist durch Verstöße gegen die §§ 9 bis 18, 20 BetrVG und die Normen der Wahlordnung betroffen.[527] Als in der Praxis häufig auftretende Verstöße sind hier beispielhaft zu nennen:

Wahl einer fehlerhaften Anzahl von Betriebsratsmitgliedern (§ 9 BetrVG):[528]

Nicht zu den "in der Regel" beschäftigten Arbeitnehmern i.S.d. § 9 BetrVG gehören z.B. mehrere zur Vertretung einer sich in Elternzeit befindlichen Stammarbeitskraft befristet eingestellte Ersatzkräfte[529] oder Arbeitnehmer, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden[530] und leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG.[531] Auch Personen, mit denen lediglich eine Rahmenvereinbarung geschlossen wurde, die nur die Bedingungen erst noch abzuschließender, auf den jeweiligen Einsatz befristeter Arbeitsverträge wiedergibt (Tagesaushilfen), selbst aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet, zählen nicht per se zu den zu berücksichtigenden Arbeitnehmern.[532] Erst wenn diese regelmäßig beschäftigt werden und damit die den jeweiligen Betrieb kennzeichnende Personalstärke erhöhen, findet eine Hinzurechnung statt.[533]
"In der Regel beschäftigte" Leiharbeitnehmer sind bei den Schwellenwerten des § 9 BetrVG zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 2 S. 4 AÜG).[534] Aber Vorsicht: In Betrieben mit bis zu 51 Arbeitnehmern nur dann, wenn die Leiharbeitnehmer auch "wahlberechtigt" sind, d.h. wenn sie länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden (§ 7 S. 2 BetrVG)
Verkennung des Betriebsbegriffs[535]
Betriebsratswahl auf Grundlage eines unwirksamen Tarifvertrages über vom Gesetz abweichende Arbeitnehmerstrukturen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG[536]
Fehlerhafte Bestellung des Wahlvorstands[537]

Mängel des Wahlausschreibens und der Wählerliste:

kein ordnungsgemäßer Aushang des Wahlausschreibens (§ 3 Abs. 4 WO)[538]
keine ordnungsgemäße Unterrichtung ausländischer Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind (§ 2 Abs. 5 WO)[539]
Nichtbekanntgabe von Ort und Zeit der Stimmauszählung (§ 3 Abs. 2 Nr. 13 WO)[540]
Änderung oder Ergänzung der Wählerliste am Tag der Betriebswahl[541]

Mängel der Wahlvorschläge:

Unterzeichnung durch zu wenige Wahlberechtigte (§ 14 Abs. 4 BetrVG)[542]
Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Prüfung eingereichter Wahlvorschläge und unverzüglichen Unterrichtung der Listenvertreter bei Ungültigkeit (§ 7 Abs. 2 S. 2 WO)[543]
Zulassung einer Wahlvorschlagsliste mit unzulässigem Kennwort (Gewerkschaftsname)[544]
Nachträgliche Ergänzung eines Wahlbewerbers auf der Liste ohne Kenntlichmachung[545]

Verstoß gegen die Grundsätze geheimer, unmittelbarer, freier und allgemeiner Wahl[546]

Einsichtnahme in die mit Stimmabgabevermerken versehene Wählerliste während der laufenden Wahl;[547] gleiches gilt, wenn ein Wahlbewerber vor Abschluss der Wahl eine Namensliste der Arbeitnehmer, die noch nicht an der Wahl teilgenommen haben, erhält[548]
Nichtverwendung von Wahlumschlägen bei der Stimmabgabe (§ 11 Abs. 1 WO)[549]
Keine Gewährleistung einer "unbeobachteten" Wahl, z.B. durch Aufstellen von Trennwänden oder Wandschirmen[550]
Online-Wahl[551]
Anordnung einer allgemeinen Briefwahl für den gesamten Betrieb[552]
aber: Keine Nichtigkeit durch "generalisierende Hochrechnung" eines Verstoßes gegen das Wahlgeheimnis[553]

Fehlerhafte Feststellung des Wahlergebnisses:

Unrichtige Feststellung eines dem Geschlecht in der Minderheit zukommenden Sitzes (§ 15 Abs. 2 BetrVG)[554]
Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Stimmenauszählung, z.B. wenn die Auszählung vor dem im Wahlausschreiben angegebenen Zeitpunkt beginnt[555]

Verstoß gegen das Wahlbeeinflussungsverbot des § 20 Abs. 2 BetrVG[556]

Veränderung der Reihenfolge der Wahlbewerber auf den Stimmzetteln gegenüber den originalen Vorschlagslisten[557]
Mitteilung der bislang nicht zur Wahl erschienenen Arbeitnehmer an Wahlbewerber[558]
aber: § 20 Abs. 2 BetrVG beinhaltet – auch für den Arbeitgeber – kein striktes Neutralitätsgebot im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Untersagt ist nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung muss vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen. Die bloße Aufforderung des Arbeitgebers in einer Mitarbeiterversammlung zur Aufstellung einer "alternativen" Liste wegen Kritik am bestehenden Betriebsrat und das gezielte Werben um Kandidatur für eine solche Liste ist daher zulässig; ebenso die arbeitgeberseitige Bekundung der Sympathie mit einer bestimmten Liste.[559]

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