Rz. 303

Nach dem Gesetz darf keine andere Möglichkeit zur Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG).

 

Rz. 304

Hier spielen vor allem Berufsverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Fachverbände, Haus- und Grundbesitzervereine, Mietervereine, Verbraucherzentralen etc., Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten wie z.B. Jugendämter (§ 18 SGB VIII), Finanzämter (§ 89 AO), Anstaltsleitungen (§§ 5, 73, 108 StVollzG) eine große Rolle.

Dies kann z.B. im Einzelfall bei der Durchführung einer außergerichtlichen obligatorischen Schuldenregulierung zum Zwecke der Vorbereitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens auch die Inanspruchnahme der Tätigkeit einer Schuldnerberatungsstelle oder einer Verbraucherzentrale sein. Diese bieten in der Regel kostengünstigere Hilfemöglichkeiten an. Ebenso liegt eine andere Hilfemöglichkeit vor, wenn eine Mutter als Rechtsanwältin Beratung leisten kann.[475] Eine andere Möglichkeit für Hilfe bietet ein Mediator grundsätzlich nicht. Es ist hier streitig, ob der Mediator immer Rechtsberatung ausübt und ausüben darf.[476]

 

Rz. 305

In diesem Zusammenhang wird von Teilen der Rechtsprechung restriktiv auch die Selbstvertretung angesehen. Hiernach soll Beratungshilfe nur dann gewährt werden, wenn der Antragsteller nicht in der Lage ist, in der betreffenden Angelegenheit seine Rechte selbst wahrzunehmen. Die Beratungshilfe ist keine Lebenshilfe.[477] Ferner ist sie nicht dazu da, um einem Antragsteller lästige Behördengänge zu ersparen.[478] Als Maßstab wird darauf abgestellt, welche Angelegenheit man in der Regel selbst einer Erledigung zuführt und bei welcher Konstellation ein verständiger Rechtssuchender bei eigener Kostentragungspflicht einen Rechtsanwalt mit seiner Interessenvertretung beauftragte.

 

Rz. 306

Das Bundesverfassungsgericht[479] hat entschieden, dass ein unbemittelter Rechtsuchender, einem solch Bemittelten gleichzustellen ist, der bei seiner Inanspruchnahme von Rechtsberatung auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt. Es kann auch für das Widerspruchsverfahren im Sozialrecht zur Durchsetzung von Ansprüchen des Bürgers Anlass bestehen, einen Anwalt hinzuzuziehen.

Ob der bemittelte Rechtsuchende von diesem Recht für das Widerspruchsverfahren vernünftigerweise Gebrauch macht, kann nicht pauschal verneint werden, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein kostenbewusster Rechtsuchender wird dabei insbesondere prüfen, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Verfahrensrechte braucht oder selbst dazu in der Lage ist.

In dieser Entscheidung wird die Versagung von Beratungshilfe für einen Widerspruch gegen die Kürzung von Leistungen nach dem SGB II als grundgesetzwidrig erachtet. Diese Grundgesetzwidrigkeit wird gem. der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.5.2009 u.a. damit begründet, die Ablehnung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG), wonach eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten auch im außergerichtlichen Rechtsschutz geboten ist. Vergleichsmaßstab ist das Handeln eines Bemittelten.

 

Rz. 307

Das BVerfG hat mit dieser Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht, dass nun grundsätzlich für alle Widerspruchsverfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten Beratungshilfe bewilligt werden soll. Zunächst verbleibt es dabei, dass der Rechtsuchende auf zumutbare andere Möglichkeiten für eine fachkundige Hilfe bei der Rechtswahrnehmung verwiesen werden kann.[480] Allerdings wird der Begriff der Zumutbarkeit von den Fachgerichten überdehnt, wenn ein Rechtsuchender für das Widerspruchsverfahren zur Beratung an dieselbe Behörde verwiesen wird, gegen die er sich mit dem Widerspruch richtet.[481] Ein solcher Hinweis verkürzt die Rechte des Rechtssuchenden und erschüttert vielmehr das Vertrauen in die Rechtspflege.

 

Rz. 308

Hier ist in der Praxis der Einzelfall zu prüfen. Der Unbemittelte braucht auch weiterhin nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt. In sozialrechtlichen Angelegenheiten kann die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts dann erforderlich sein, wenn sich vergleichsweise ein bemittelter Bürger ebenfalls aktiv am Verfahren beteiligt hätte und hierzu ein Rechtsanwalt notwendig wäre. Notwendig ist die Zuziehung nach der Rechtsprechung dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen. Ob der bemittelte Bürger von diesem Recht Gebrauch machen würde, kann nicht pauschal angenommen werden, sondern ist für den Einzelfall konkret zu prüfen.[482] Der Antragsteller hat dies gegenüber der Beratungshilf...

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