Rz. 238

Die Problematik der Anrechnung der Geschäftsgebühr stellt sich auch dem Anwalt, der im Rahmen der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe beigeordnet wurde.

Die Rechtsprechung[433] hat bereits vor der Einführung des § 15a RVG entschieden, dass die Anrechnung der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auch für den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt zu beachten ist. Dies ist jetzt ebenfalls durch § 15a RVG geregelt, denn im Zuge der Einführung der vorgenannten Bestimmung wurde gleichzeitig auch die Vorschrift des § 55 Abs. 5 RVG über das Festsetzungsverfahren der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung, insbesondere Sätze 2–4 wie folgt geändert:

§ 55 Abs. 5 RVG:

 

(5) § 104 Abs. 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.

 

Rz. 239

Durch diese neu eingeführte Anzeigepflicht der tatsächlichen Zahlung der Geschäftsgebühr ist nunmehr bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Möglichkeit gegeben, den genauen Umfang der anzurechnenden Zahlung auf die festzusetzende Gebühr festzustellen. Darüber hinaus spart dies in der Praxis auch ein weiteres, ggf. unnötiges Nachfragen des Gerichts, ob eine außergerichtliche Gebühr tatsächlich geleistet ist und beschleunigt somit auch das Vergütungsfestsetzungsverfahren. Die Anzeigepflicht ergibt sich, ebenso wie bei Vorschüssen, nunmehr ausdrücklich aus dem Gesetz.

Ferner hat dies auch zur Folge, dass eine Anrechnung nur erfolgt, wenn der Rechtsanwalt seitens der Prozesskostenhilfe-Partei die Geschäftsgebühr auch von dieser erhalten hat, also tatsächlich gezahlt wurde. Es kommt im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht darauf an, ob die Geschäftsgebühr "nur" entstanden ist. Ein Erstattungsanspruch für die Geschäftsgebühr aus der Staatskasse besteht nicht, da diese außerhalb des gerichtlichen Verfahrens und daher nicht im Bereich der Prozesskostenhilfe entstanden ist. Deshalb kann eine Verfahrensgebühr in einem solchen Fall auch nicht gekürzt werden.[434]

 

Rz. 240

Hat der Rechtsanwalt von der Prozesskostenhilfe-Partei zuvor eine Wahlanwaltsgeschäftsgebühr erhalten, dann hat eine Anrechnung zu erfolgen, wenn dieselbe Angelegenheit betroffen ist. Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt soll nicht besser gestellt werden als ein Wahlanwalt. Die Anrechnung hat nach § 15a Abs. 1 zu erfolgen. Dies bedeutet also, dass beide Gebühren in vollem Rahmen entstanden sind, jedoch nicht mehr als der um den Anrechnungsbetrag geminderte Gesamtbetrag beider Gebühren von der Staatskasse gefordert werden kann.

Allerdings lässt sich aus beiden Vorschriften §§ 15a, 55 Abs. 5 S. 2–4 RVG nicht entnehmen, wie die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für den im Wege der PKH/VKH beigeordneten Rechtsanwalt anzurechnen ist.

 

Rz. 241

Bei einem Streitwert bis zu 3.000 EUR ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr unproblematisch, da hier die Wahlanwalts- und die Prozesskotenhilfe-Gebühren gem. der Anlage zu § 13 RVG berechnet werden und keine Gebührendifferenzen vorliegen.

 

Rz. 242

 

Beispiel

Rechtsanwalt vertritt seinen Mandanten außergerichtlich bei der Geltendmachung einer Schadensersatzforderung in Höhe von 3.000 EUR. Im anschließenden gerichtlichen Verfahren wird der vorgenannte Rechtsanwalt im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet.[435]

Außergerichtlich angefallen:

 
1,3 Geschäftsgebühr aus 3.000 EUR 261,30 EUR

Gerichtliches Verfahren angefallen und von der Staatskasse zu erstatten:

 
1,3 Verfahrensgebühr aus 3.000 EUR 261,30 EUR
abzüglich 0,65 Geschäftsgebühr 130,65 EUR
Rest der Verfahrensgebühr 130,65 EUR

Der Betrag in Höhe von 130,65 EUR ist demnach aus der Staatskasse zu erstatten.

 

Rz. 243

Problematisch ist die Anrechnung der Gebühr, sobald der Streitwert über 3.000 EUR liegt und somit die Prozesskostenhilfe-Gebühren gem. der Tabelle zu § 49 RVG.[436] zu entnehmen sind. Denn hier sind die seitens der Staatskasse zu erstattenden Gebühren niedriger, als die des Wahlanwalts. Dies kann dazu führen, dass nach Anrechnung von der entstandenen Verfahrensgebühr nichts mehr übrig bleibt.

 

Rz. 244

 

Beispiel

Rechtsanwalt vertritt seinen Mandanten außergerichtlich bei der Geltendmachung einer Kaufpreisforderung in Höhe von 30.000 EUR. Im anschließenden gerichtlichen Verfahren wird der vorgenannte Rechtsanwalt im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet.[437]

Außergerichtlich gem. § 13 RVG angefallen:

 
1,3 Geschäftsgebühr aus 30.000 EUR 1.121,90 EUR
Anzurechnende Geschäftsgebühr 560,95 EUR

Gerichtliches Verfahren angefallen (§ 49 RVG) und von der Staats...

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