A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die Hauptpflicht des Verkäufers aus dem Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 BGB besteht in der Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs, frei von Sach- und Rechtsmängeln. Dazu gehört die Übergabe des Kraftfahrzeugbriefes, der kein Traditionspapier ist und damit der Fahrzeugübergabe auch nicht gleich steht, aber dem Erwerber in entsprechender Anwendung des § 952 BGB als Eigentümer zusteht.[1] Erhält der Käufer den Kraftfahrzeugbrief nicht, ist er berechtigt, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären und Schadensersatz oder Ersatz seiner Aufwendungen zu verlangen (§§ 281, 323 BGB).[2] Im Fall des Eigentumsvorbehalts ist der Kraftfahrzeugbrief erst nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises auszuhändigen. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgt, indem der Verkäufer dem Käufer den unmittelbaren Besitz i.S.d. § 854 Abs. 1, 2 BGB in der Weise verschafft, dass der Käufer in die Lage versetzt wird, das Fahrzeug entsprechend § 854 Abs. 1 BGB so in Besitz zu nehmen, dass er es auf seine Beschaffenheit untersuchen kann.[3]

 

Rz. 2

Für die Lieferung des Neuwagens sehen die NWVB in Abschn. IV. abweichend zur gesetzlichen Regelung des § 271 BGB die Möglichkeit der schriftlichen Vereinbarung von Lieferterminen oder Lieferfristen vor. Unter Lieferfrist ist eine gewisse Zeitdauer, wie z.B. vier Wochen, unter einem Liefertermin ein bestimmter Zeitpunkt wie z.B. der 22.12.2010, zu verstehen. Die Lieferfrist beginnt mit dem Tag des Vertragsschlusses, also nicht mit Unterzeichnung des Bestellformulars, sondern erst mit der Annahme des Angebots durch den Verkäufer. Nach § 192 BGB ist unter der Bezeichnung "Anfang Juli" der 1.7., unter "Mitte August" der 15.8. als Liefertermin zu verstehen. Ist ein bestimmter Monat als Lieferzeit vereinbart worden, wie "April 2002", läuft die Frist bis zum Ende des Monats April.[4]

 

Rz. 3

Die Lieferzeit kann nach Abschn. IV. Nr. 1 NWVB verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden. Abweichend von dieser Klausel können nach § 305b BGB wirksam Individualabreden zwischen den Parteien getroffen werden,[5] wie die Vereinbarung über die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften oder die Absprache eines Fixgeschäftes. Möglich ist auch eine nachträgliche Abänderung der Vereinbarung über die Fahrzeuglieferung.[6]

 

Rz. 4

Die NWVB sehen zudem in Abschn. IV. S. 1 vor, dass Absprachen über die Lieferzeit schriftlich anzugeben sind. Die Regelung benachteiligt den Käufer nicht grundsätzlich in unangemessener Weise gem. § 307 BGB, da eine schriftliche Vertragsgestaltung neben der Beweisbarkeit auch der Rechtsklarheit zuträglich ist.[7]

Die Vereinbarung eines Liefertermins oder einer Lieferfrist erfolgt praktisch durch den Eintrag in die vom Handel verwendeten Bestellformulare, die eine Rubrik enthalten, in der neben der Auswahl zwischen unverbindlichem und verbindlichem Termin auch zur Streichung des nicht Zutreffenden aufgefordert wird. Erfolgt die Streichung, liegt zwischen den Parteien eine Individualabrede vor.[8] Haben die Parteien zwar eine Lieferzeit im Formular vermerkt, aber keinerlei Streichung vorgenommen, ist ohne weitere Vermerke nicht zu ermitteln, ob die Frist oder der Termin unverbindlich oder verbindlich gewollt ist. Eine für den Verkäufer als Verwender nachteilige Auslegung gem. § 305c Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht, da es sich um eine Unklarheit im Rahmen einer Individualabrede und nicht um eine solche bei der Auslegung der Geschäftsbedingun­gen handelt. Kann der Parteiwille nicht durch Auslegung ermittelt werden, ist der gesamte Ab­schn. IV. NWVB. nicht anwendbar. Stattdessen gelten die Vorschriften der §§ 286 ff. BGB.[9]

 

Rz. 5

Mündliche Vereinbarungen haben gem. § 305b BGB Vorrang, sind aber von demjenigen zu beweisen, der sich darauf beruft.[10] Die zusätzliche Beweisanforderung ist kein so schwerwiegender Nachteil, dass daraus eine unangemessene Benachteiligung des Käufers erwächst.[11] Eine neue, wirksame mündliche Abrede über die Lieferzeit ist daher auch gegenüber einer anders lautenden, zuvor schriftlich getroffenen Vereinbarung maßgeblich,[12] auf die sich der Händler nicht berufen kann, solange für ihn nicht ein vollmachtloser Vertreter gehandelt hatte.[13]

 

Rz. 6

Der Käufer sollte darauf achten, dass eine exakte Festlegung des Liefertermins oder der Lieferfrist erfolgt. Da sich die Lieferfrist um die Zeit zwischen Bestellung und deren Annahme durch den Verkäufer verlängert, ist die Vereinbarung eines Liefertermins vorzugswürdig. Der Käufer sollte jedoch Floskeln wie "Lieferung so schnell wie möglich", "baldmöglichst", "rasch" oder "schnellstens" vermeiden, da sie für ihn nachteilig sind. Sie gewährleisten nicht etwa eine unverzügliche Lieferung i.S.d. § 121 BGB, ohne schuldhaftes Zögern. Vielmehr hat der Verkäufer nur dafür Sorge zu tragen, dass mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine Lieferung alsbald erfolgt, wofür er im Streitfall auch die Beweislast trägt. In der Rechtsprechung wurde die Zusage des Verkäufers, den bestellten Luxus-Pkw "schnellstmöglich" zu liefern, so aufgefasst, dass de...

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