Rz. 58

Nach Abschn. IV. Nr. 6 NWVB bleiben Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton, sowie Änderungen des Lieferumfangs dem Hersteller während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Verkäuferinteressen für den Käufer zumutbar sind.

 

Rz. 59

Unter Änderung ist eine Leistung mit anderer Beschaffenheit oder anderem Umfang als die ursprünglich vereinbarte Leistung zu verstehen, die nach Art und Charakter jedoch identisch bleibt. Bei einer Abweichung ist das Ausmaß der Änderung so gravierend, dass die Leistung nach Art und Charakter eine andere als die ursprünglich geschuldete darstellt.[67] Problematisch ist die Klausel daher im Hinblick auf den Grundsatz, dass der Verkäufer gem. §§ 434 Abs. 1, 475 BGB die Leistung mit der vertragsgemäß vereinbarten Beschaffenheit schuldet.

 

Rz. 60

Der Schutz des Käufers vor zu weitgehenden Änderungen während der Lieferzeit ist in der Klausel entsprechend § 308 Nr. 4 BGB jedoch dadurch gewährleistet, dass er sich auf die Unzumutbarkeit der Änderungen berufen kann. Eine erhebliche Änderung oder Abweichung braucht der Käufer nicht hinzunehmen, auch wenn sie zumutbar ist, eine unerhebliche nur dann, wenn sie ihm zugemutet werden kann.[68] Die Beweislast für die Unerheblichkeit der Änderung und deren Zumutbarkeit obliegt dem Verkäufer als Verwender der AGB.[69]

 

Rz. 61

Den Interessen des Käufers ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, zumal es regelmäßig vorteilhaft für den Käufer ist, die jeweils aktuelle, verbesserte Version des Neuwagens zu erhalten.

Dem Verkäufer dient die Klausel, da er Änderungen des Fahrzeugs mit zu tragen und an den Käufer weiterzugeben hat, ohne Einfluss auf das Produkt zu haben. Daher liegt der Änderungsvorbehalt grundsätzlich im Interesse aller am Neuwagenkauf Beteiligten. Diese Übereinstimmung endet jedoch bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit.

Die Ermittlung, ob eine Änderung oder Abweichung dem Käufer zuzumuten ist, bleibt dem Tatrichter vorbehalten, der sie durch Interessenabwägung anhand der konkreten Umstände im Einzelfall festzustellen hat.[70]

 

Rz. 62

Die Erheblichkeit einer Änderung und die Unzumutbarkeit der Abnahme durch den Verkäufer wurde z.B. bei Farbänderungen angenommen, wenn es sich nicht um Farbtöne der gleichen Palette handelte, wie die Änderung von "türkis" zu "silbergrün".[71]

Dagegen stellt die Änderung von "taiga" zu "resedagrün"[72] nur eine geringfügige, unerhebliche Farbänderung zum Vorgängermodell dar.

 

Rz. 63

Die unterschiedliche Beurteilung macht deutlich, dass die Zumutbarkeit allein von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Da die Kaufentscheidung in der Regel vom Farbwunsch maßgeblich beeinflusst wird, kann z.B. eine andere als die vertraglich vereinbarte Farbe eine erhebliche Änderung begründen. Abgestellt wird dabei auf die Zugehörigkeit der bestellten Farbe zu einer Farbpalette. Ist die nur graduell abweichende Farbe des gelieferten Fahrzeugs ebenfalls dieser Palette zugehörig, ist die Änderung unerheblich und zumutbar, anders wenn die Farbe einer anderen Palette angehört.[73]

 

Rz. 64

Insbesondere bei Luxusfahrzeugen können fehlende, teure Sonderausstattungsteile wie CD-Wechsler, Skisack, Fondeinstellsitze und Multikonturlehnen im Fond eine erhebliche Änderung des Kaufgegenstandes bewirken, da die Kunden solcher hochwertigen Fahrzeuge Wert darauf legen, dass alle Sonderausstattungsmerkmale vorhanden sind. Bei Luxusfahrzeugen spielt die Sonderausstattung nicht nur eine untergeordnete und zu vernachlässigende Rolle. Wenn mehrere Teile fehlen, liegt daher eine nicht zumutbare Änderung des Lieferumfangs vor.[74]

 

Rz. 65

Eine Modelländerung ist erheblich, wenn dem Fahrzeug Eigenschaften fehlen, die es gemessen am aktuellen Produktionsstand als veraltet erscheinen lassen oder die "allgemeine Form" des Wagens verändert wird.[75] Gleiches gilt für grundlegende Änderungen in der Konstruktion.[76]

 

Rz. 66

Auch die Abnahmeverpflichtung eines Audi TT Roadster entfiel aufgrund der Montage eines Heckspoilers als unzumutbare Änderung. Im Bestellzeitpunkt sah die serienmäßige Konzeption des Audi TT Roadster noch keinen Heckspoiler vor. Dessen Montage stellte nach Ansicht des Gerichts eine erhebliche optische Veränderung des Erscheinungsbildes des Wagens dar, weil dieses Zubehörteil beim Betrachter Rückschlüsse auf den Fahrstil und ggf. die Persönlichkeit des Eigentümers auslöst, was für den Käufer ein erheblicher Umstand bei der Kaufentscheidung sein kann.[77]

 

Rz. 67

Weist der Kaufgegenstand eine unzumutbare Änderung auf, kann der Verkäufer damit seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag nicht erfüllen. Der Käufer kann die Abnahme des Wagens verweigern, ohne in Annahmeverzug zu geraten und nach Fristsetzung zur Nacherfüllung die ihm gesetzlich zustehenden Rechte wegen Verzugs oder Unmöglichkeit geltend machen.

[67] Wolf/Horn/Lindacher, § 10 Nr. 4 Rn 4.
[68] OLG Hamm DAR 1983, 79, 80.
[69] OLG Hamm DAR 1983, 79, 80.
[70] Wolf/Horn/Lindacher, § 10 Nr. 4 Rn 1...

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