Rz. 52

Abschn. IV. Nr. 5 S. 1 NWVB sieht vor, dass bei höherer Gewalt sowie bei Störungen im Betrieb des Verkäufers oder seines Lieferanten, die den Verkäufer ohne eigenes Verschulden daran hindern, den Neuwagen zum vereinbarten Termin oder innerhalb der vereinbarten Frist zu liefern, eine Verlängerung der vereinbarten Zeit um die Spanne eintritt, in der die Störung andauert.

 

Rz. 53

Als Betriebsstörung werden Ereignisse innerhalb des Betriebs wie Störungen im EDV Bereich, Ausfall von Maschinen aber auch Streik und Aussperrung bezeichnet. Höhere Gewalt ist dagegen betriebsfremd. Sie liegt vor bei von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter herbeigeführten, nach menschlicher Einsicht und Erfahrung nicht voraussehbaren Ereignissen.[62]

 

Rz. 54

Der Leistungsaufschub tritt nicht ein, wenn den Verkäufer ein Eigenverschulden hinsichtlich der Betriebsstörung trifft oder ihm die Umstände bereits bei Vertragsschluss bekannt waren. Die Störungen müssen also nach der Annahme der Bestellung und vor dem Termin oder Ablauf der Frist zur Lieferung eintreten. Dauert der Leistungsaufschub länger als vier Monate, hat der Käufer ein Rücktrittsrecht. Klarstellend im Sinne des Transparenzgebots ist – wie vom BGH gefordert – eingefügt worden, dass andere Rücktrittsrechte davon unberührt bleiben.[63]

 

Rz. 55

Unerheblich ist, ob Lieferzeit oder Liefertermin verbindlich oder unverbindlich vereinbart worden sind. Die Klausel gilt jedoch nicht für die Sechs-Wochen-Frist, die bei unverbindlich vereinbarter Lieferzeit vorgesehen ist, weil die sechswöchige Schonfrist gerade auch höhere Gewalt und Betriebsstörungen mit abdecken soll.[64]

 

Rz. 56

Die Verlängerung der Lieferfrist um bis zu vier Monate führt in der Gesamtschau mit der Bindungsfrist an die Bestellung und der sechswöchigen Schonfrist dazu, dass der Verkäufer einen sehr großzügigen zeitlichen Vorteil erlangt, während das Recht des Käufers, sich vom Vertrag zu lösen, über Gebühr beschnitten wird. In dem für den Käufer ungünstigsten Fall können die Fristen eine für den Verkäufer folgenlose Verschiebung der Lieferung von sechs Monaten rechtfertigen, was für den Käufer inakzeptabel ist.[65]

 

Rz. 57

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Betriebsstörungen und höhere Gewalt ohne Verschulden des Verkäufers eintreten, sind diese Umstände dennoch der Sphäre des Verkäufers und damit seinem Risikobereich zuzurechnen, so dass eine weitere ausgedehnte Wartezeit von vier Monaten, bevor der Käufer zurücktreten kann, unzumutbar ist im Vergleich zu den erheblichen zeitlichen Reserven, die dem Verkäufer in dem für ihn günstigsten Fall erwachsen.[66] Dies gilt umso mehr, als der Rücktritt vom Vertrag wegen Lieferverzögerungen ein Verschulden des Verkäufers nicht erfordert.

Abschn. IV. Nr. 4 S. 1 NWVB ist daher ebenso wie Abschn. IV. Nr. 2 S. 1 NWVB unwirksam, weil die damit verbundene Privilegierung des Verkäufers sachlich nicht gerechtfertigt ist.

[62] BGH BB 1970, 466; BGHZ 17, 199, 201; Rödel/Hembach, § 2 Rn 65.
[64] Rödel/Hembach, § 2 Rn 63; Creutzig, Recht des Autokaufs, Rn 4.4.2.
[65] Reinking/Eggert, Rn 77.

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