Rz. 31

Der nach Abschn. IV. Nr. 2 S. 3 NWVB auf 5 Prozent des Kaufpreises begrenzte Verzugsschaden ist der Schaden, der durch die Verzögerung der Lieferung des Neuwagens entsteht. Der Verkäufer hat den Käufer nach den §§ 249 ff. BGB so zu stellen, als hätte er rechtzeitig erfüllt. Der Schaden umfasst nur solche Schadenspositionen, die neben den Anspruch auf die Leistung treten, ihn aber nicht ersetzen können. Vorrangig besteht der Schaden darin, dass der Käufer das Fahrzeug noch nicht nutzen kann, aber auch der entgangene Gewinn eines Wiederverkaufs oder die Kosten der Rechtsverfolgung sowie Zinsverluste sind verzögerungsbedingte Schäden. Nach wie vor sind die Kosten der ersten Mahnung nicht ersatzfähig, da die Aufforderung zu leisten erst mit ihrem Zugang den Verzug begründet hat und nach § 280 Abs. 2 BGB Schadenersatz wegen Verzögerung der Leistung nur unter den Voraussetzungen des § 286 BGB, also bei Verzug, verlangt werden kann.[42]

 

Rz. 32

Den Käufer so zu stellen, als ob rechtzeitig geleistet worden wäre, umfasst nach überwiegender Meinung auch Schadensersatz für die abstrakt entgangene Gebrauchsmöglichkeit des Fahrzeugs, die als Vermögensschaden anzusehen ist,[43] wenn der Wille und die Möglichkeit zur Nutzung bestehen.[44] Entgegen der überwiegenden Meinung ist die entgangene Gebrauchsmöglichkeit mit dem OLG Hamm nur dann als Schaden anzusehen, wenn dem Käufer während des Verzugs des Verkäufers kein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht, weil er noch kein anderes Fahrzeug besitzt oder sein vorheriges Fahrzeug bereits veräußert hat. Ansonsten besteht der Schaden des Käufers im Wertverlust des statt des Neufahrzeugs genutzten Fahrzeugs.

 

Rz. 33

Wurde die Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens zur teilweisen Begleichung des Neuwagenkaufpreises vereinbart, stellt sich die Frage, wer den Wertverlust am Gebrauchtfahrzeug durch die Weiterbenutzung zu tragen hat, wenn diese durch eine von Verkäufer zu vertretende Lieferverzögerung notwendig geworden ist.

 

Rz. 34

Es wird vertreten, dass der Käufer den Wertverlust selbst zu tragen habe, da bei Einhaltung des Liefertermins durch das Fahren des Neufahrzeugs ein Wertverlust an diesem eingetreten wäre, der im ersten Jahr bei 15–20 % des Kaufpreises liegt. Demgegenüber sei der Wertverlust am Altfahrzeug durch die Weiterbenutzung viel geringer, so dass ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung kompensiert werde.[45]

 

Rz. 35

Nach anderer Ansicht wird bei dieser Argumentation übersehen, dass nach § 298 BGB der Verkäufer durch die nicht rechtzeitige Lieferung trotz des Verlangens des Käufers mit der Annahme des Altfahrzeugs in Verzug gerate, da beide Leistungen Zug um Zug geschuldet seien. Auch wenn aus dem Annahmeverzug nach § 300 BGB keine Schadensersatzverpflichtung des Verkäufers folge, sperre dessen ratio aber den Vorteilsausgleich mit Ansprüchen des Käufers aus dem Schuldnerverzug. Vielmehr hafte der Käufer nur für grob fahrlässig und vorsätzlich herbeigeführte Verschlechterungen des Gebrauchtwagens, wovon bei normaler Weiterbenutzung nicht auszugehen sei. Ein Wertverlust zwischen Annahmeverzug und Auslieferung sei vom Verkäufer zu tragen, da er in seine Risikosphäre falle. Für eine Vorteilsausgleichung fehle es an der gesetzlichen Grundlage. Die während des Verzugs durch den weiteren Gebrauch gezogenen Nutzungen seien nach § 302 BGB dem Verkäufer in Form von Wertersatz zu vergüten.[46]

 

Rz. 36

Dieser Auffassung ist im Ansatz zuzustimmen. Die Vorteilsausgleichung ist vom Gesetzgeber nicht normiert worden, um Rechtsprechung und Literatur die Problemlösung unter Beachtung der Einzelfallgerechtigkeit und nach Wertungsgesichtspunkten zu überlassen. Die Anrechnung von Vorteilen muss aus Sicht des Geschädigten zumutbar sein und darf den Schädiger nicht unbillig entlasten.[47] Der Kompensation eines Anspruchs aufgrund der Verzögerung der Leistung ist richtigerweise der Sinn und Zweck des § 300 BGB als Sperre entgegenzuhalten, da die Wertung gerade die Haftung des Schuldners in der ungewollten Situation begrenzt. Der Verkäufer würde unbillig entlastet, wenn ein durch ihn verschuldeter Umstand eine Kompensation mit dem tatsächlichen Wertverlust durch unfreiwillige Weiternutzung des Altwagens herbeiführen würde.

Im Ergebnis erscheint es sachgerecht, wenn der durch die übliche Benutzung des Altfahrzeugs verursachte Wertverlust beim Verkäufer verbleibt, der ihn ja durch Lieferverzug selbst zu vertreten hat. Dogmatisch wird das Ergebnis durch Aufrechnung des Anspruchs des Käufers auf Schadensersatz mit dem Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsentschädigung erreicht.

[42] MüKo/Thode, § 286 Rn 8 ff.; Lorenz/Riehm, Rn 285 ff.
[43] BGHG NJW 1982, 2304; BGH NJW 1983, 2139; Rödel/Hembach, § 2 Rn 69; a.A. OLG Hamm OLGR 1996, 15.
[44] BGH DAR 1982, 325, 325; BGHZ 40, 345, 351; BGHZ 85, 11, 14.; a.A. Schulte, S. 116 ff.; Schmidt/Salzer, BB 1970, 55, 63; OLG Hamm OLGR 1996, 15, ist gegen Nutzungsentschädigung, wenn auf eine künftige Nutzung hin noch keine Vermögensbindung...

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