Rz. 91

Erstaunlich ist, dass auch bei diesen Regelungen zur Tilgung bzw. Löschung der Gesetzgeber nochmals nachlegen musste. So ist in der aktuellen, seit dem 5.12.2014 geltenden Fassung von §2 Abs. 9 S. 1 StVG eine Löschungspflicht nach spätestens zehn Jahren festgelegt. Hiervon wird für Registereintragungen im Fahreignungsregister oder im Zentralen Fahrerlaubnisregister in S. 2 der Regelung aber eine Ausnahme getroffen: Solche "im Zusammenhang stehenden Registereinträge" sind nach den Bestimmungen für diese jeweiligen Register zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt zu tilgen oder zu löschen. In diesem Fall ist für die Vernichtung oder Löschung der spätere Zeitpunkt maßgeblich.[76]

Nach den Registerbestimmungen gibt es aber auch kürzere Tilgungs- und Löschungsfristen, beispielsweise beim Fahreignungsregister zweieinhalb oder fünf Jahre nach §29 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 StVG. Auch diese kürzeren Tilgungs- und Löschungsfristen, die mit einem entsprechenden Verwertungsverbot[77] in §29 Abs. 6, 7 StVG einhergehen, sind zuerst zu berücksichtigen.

 
Hinweis

Hinweis

Häufig werden bei der Verwertung im Verfahren durch das Gericht Fehler gemacht, da die Eintragungen tilgungsreif sind: Die Urteilsgründe müssen daher nach der fristwahrend eingelegten Rechtsbeschwerde bzw. Revision vorrangig auf die Verwertung der früheren Einträge und die jeweiligen Tilgungsfristen hin überprüft werden. Sollten hier Fehler unterlaufen sein, liegt ein Verstoß gegen das Verwertungsverbot vor. Hierauf kann dann ggf. die Rechtsbeschwerde oder Revision gestützt werden.

Zur Begründung der jetzt gültigen Fristen wird argumentiert, dass verlängerte Beobachtungszeiträume erforderlich wären, um Fahreignungsdefizite im Fahreignungs-Bewertungssystem zu erkennen und erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.[78] Allerdings muss bezweifelt werden, dass diese Zeiträume tatsächlich zu besserer Diagnostik führen. Denn nachdem der Gesetzgeber erkannt hat, dass die Anzahl der Verstöße und nicht die Schwere maßgeblich für das weitere Verkehrsverhalten des Betroffenen sein soll, muss gefragt werden, welche Beobachtungen eigentlich noch gemacht werden sollen, wenn der Kraftfahrer – und inzwischen ja auch der Radfahrer – mehrfache Verstöße hintereinander begehen kann, ohne dass die Behörden reagieren dürfen/können. Hier beißt sich die ursprüngliche gesetzgeberische Intention offenkundig in den Schwanz.

 

Rz. 92

Lange umstritten war die Frage, ob ein Tattags- oder aber ein Rechtskraftprinzip bei der Fristberechnung der Tilgungsfristen Geltung finden soll. Der Gesetzgeber hat sich schließlich für ein kombiniertes Tattags- und Rechtskraftprinzip entschieden, das den bisherigen Regelungen nahe kommt. Auf die Tilgungshemmung jedoch wird vollständig verzichtet. Das bedeutet, dass Eintragungen seit dem 1.5.2014 keine Tilgungshemmung mehr für zuvor eingetragene Verstöße entfalten können.

 

Rz. 93

 

Achtung

Eintragungen, die nach altem Recht überführt worden sind, unterfallen dennoch den alten Tilgungsregelungen und Tilgungshemmungsvorschriften, soweit sie vor dem 30.4.2014 in das Verkehrszentralregister eingetragen worden sind. Entscheidend ist daher der Eintragungszeitpunkt in Flensburg.

 

Rz. 94

Zwar soll die Tilgungshemmung, die bislang dafür sorgte, dass bei Begehung einer weiteren Ordnungswidrigkeit innerhalb der Tilgungsfrist von zweieinhalb Jahren und Eintragung der Entscheidung innerhalb der einjährigen Überliegefrist die Tilgung gehemmt wird, künftig entfallen. Doch dürfte diese Maßnahme nicht dazu geeignet sein, den Nachteil angemessen zu kompensieren, den der Verkehrsteilnehmer bei groben Ordnungswidrigkeiten nun durch die von Anfang an bestehende Maximalfrist erleidet. Die Tilgungsfristen für die Maßnahmen nach §28 Abs. 3 Nr. 4 bis 8 bleiben i.Ü. unverändert.[79]

[76] BT-Drucks 18/2775, S. 8.
[77] Rechtsmittel hiergegen stellt Fromm, Zur Überprüfbarkeit der Punktebewertung im Bußgeld- und Verkehrsverwaltungsverfahren, NZV 2015, 64 ff dar.
[78] Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze, BR-Drucks 799/12 v. 1.2.2013, S. 3 f.
[79] Begründung des BR-Drucks 799/12, S. 47. Der Auffangtatbestand wie in §29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVG a.F. ist nicht mehr erforderlich. Insbesondere richten sich für Eintragungen nach §28 Abs. 3 Nr. 2 (vorläufige Entziehung) und 9 die Tilgungsfristen nach §29 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. §63 Abs. 2 FeV.

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