Rz. 68

 

§ 2 HaftpflG

(1) Wird durch die Wirkungen von Elektrizität, Gasen, Dämpfen oder Flüssigkeiten, die von einer Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgehen, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Inhaber der Anlage verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Das Gleiche gilt, wenn der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Elektrizität, der Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten zu beruhen, auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist, es sei denn, dass sich diese zur Zeit der Schadensverursachung in ordnungsgemäßem Zustand befand. Ordnungsmäßig ist eine Anlage, solange sie den anerkannten Regeln der Technik entspricht und unversehrt ist.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Anlagen, die lediglich der Übertragung von Zeichen oder Lauten dienen.

(3) Die Ersatzpflicht nach Absatz 1 ist ausgeschlossen,

1. wenn der Schaden innerhalb eines Gebäudes entstanden und auf eine darin befindliche Anlage (Absatz 1) zurückzuführen oder wenn er innerhalb eines im Besitz des Inhabers der Anlage stehenden befriedeten Grundstücks entstanden ist;

2. wenn ein Energieverbrauchsgerät oder eine sonstige Einrichtung zum Verbrauch oder zur Abnahme der in Absatz 1 bezeichneten Stoffe beschädigt oder durch eine solche Einrichtung ein Schaden verursacht worden ist;

3. wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht worden ist, es sei denn, dass er auf das Herabfallen von Leitungsdrähten zurückzuführen ist.

 

§ 3 HaftpflG

Wer ein Bergwerk, einen Steinbruch, eine Gräberei (Grube) oder eine Fabrik betreibt, haftet, wenn ein Bevollmächtigter oder ein Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommene Person durch ein Verschulden in Ausführung der Dienstverrichtungen den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt hat, für den dadurch entstandenen Schaden.

I. Allgemeines

 

Rz. 69

Die Haftungsregelung nach dem früheren § la RHG, die nur für Anlagen zur Fortleitung oder Abgabe von Elektrizität oder Gas galt, wurde durch § 2 HaftpflG mit Wirkung vom 1.1.1978 wesentlich erweitert.[249] Erstens gilt diese Gefährdungshaftung der Inhaber von gefährlichen Anlagen nun außer für die bisher davon einbezogenen Elektrizitäts- und Gasanlagen auch für Anlagen zur Leitung und Abgabe von Dämpfen und Flüssigkeiten. Denn das Leitungsnetz, das zur sicheren, kontinuierlichen und wirtschaftlichen Versorgung und zum Transport wichtiger Energieträger unentbehrlich ist, birgt Risiken, die sich aus der Art und Menge des Transportgutes, aber auch daraus ergeben können, dass wegen der häufig großen Ausdehnung des Leitungsnetzes eine Kontrolle auf etwaige Mängel und ein rasches Eingreifen im Schadensfall erschwert sind. Die Haftung kann sich auf die Wirkungen der fortgeleiteten Energien und Stoffe (Wirkungshaftung – § 2 Abs. 1 S. 1) oder auf den Zustand der Leitungsanlage (Zustandshaftung – § 2 Abs. 1 S. 2) oder auf beides nebeneinander gründen. Zweitens ist nicht erforderlich, dass der Schaden durch einen Unfall, das heißt ein plötzlich auftretendes schädigendes Ereignis, verursacht wird.[250] Drittens erfasst die Anlagenhaftung nun auch Anlagen im Bereich der Förderung, Produktion und Verarbeitung. Die Anlagenhaftung erfordert im Unterschied zu § la RHG nicht mehr die Bestimmung der Anlage zur Fortleitung, sondern nur noch zur Leitung.

[249] BT-Drucks 8/108 S. 6 ff.; BGH, Urt. v. 7.7.1983 – III ZR 119/82, VersR 1984, 38.
[250] BGH, Urt. v. 17.3.1983 – III ZR 116/81, VersR 1983, 588; OLG Naumburg, Urt. v. 12.7.1994 – 7 U 112/93, VersR 1994, 1432; Filthaut/Piontek/Kayser, HaftpflG, 10. Aufl. 2020, § 2 Rn 50; im Folgenden nur noch mit Kayser, in: Filthaut/Piontek/­Kayser, Rn zitiert, soweit § 2 gemeint ist.

II. Voraussetzungen der Haftung nach § 2 Abs. 1 HaftpflG

 

Rz. 70

Die Haftung setzt voraus, dass durch die Wirkungen der von einer Strom- oder Rohrleitungsanlage ausgehenden Stoffe oder Energien (Wirkungshaftung) oder durch den Zustand einer Leitungsanlage für diese Stoffe oder Energien (Zustandshaftung) ein Körper-, Gesundheits- oder Sachschaden entsteht. Auf Ersatz des Schadens haftet der Inhaber der Anlage. Diese Haftung ist im Gegensatz zu der Haftung nach § 1 keine Betriebshaftung, sondern eine Anlagenhaftung, die auf der Gefährlichkeit der Anlage beruht (Gefährdungshaftung).

III. Anlage zur Leitung oder Abgabe

 

Rz. 71

Die Haftung nach § 2 Abs. 1 HaftpflG betrifft nur Wirkungen, die von einer Anlage, nämlich einer

Stromleitungsanlage,
Rohrleitungsanlage für Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten
oder einer Anlage zur Abgabe der bezeichneten Energien oder Stoffe ausgeht oder auf dem Zustand einer solchen Anlage beruht. Diese Aufzählung ist abschließend,[251] so dass andere "gefährliche" Anlagen nicht der Haftung nach § 2 HaftpflG unterliegen.
 

Rz. 72

Eine Anlage ist eine technische Einrichtung im weitesten Sinne[252] mit einer gewissen Selbstständigkeit. Mangels Selbständigkeit sind keine Anlage in diesem Sinne einzelne Masten einer Hochspannungsleitung[253] oder Kan...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge