Rz. 53

Der Anwalt hat zwei verschiedene Möglichkeiten, die Vergütung gegen den (zahlungsunwilligen) Auftraggeber durchzusetzen. Zum einen mit der Honorarklage und zum anderen mit einem Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 11 Abs. 1 RVG. Letzterer ist einfacher und schneller als ein Klageverfahren, jedoch nur dann möglich, wenn die gesetzliche Vergütung zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehört und der Auftraggeber keine nicht-gebührenrechtlichen Einwendungen erhebt. Für alle sonstigen Fälle bleibt dem Anwalt nur die Honorarklage. In Abgrenzung zur Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO betrifft die Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG nicht das Verhältnis zwischen Mandant und Prozessgegner, sondern das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant.

1. Festsetzung nach § 11 RVG

 

Rz. 54

Voraussetzung ist stets, dass der Anwalt im gerichtlichen Verfahren als Bevollmächtigter beauftragt wurde, wobei es ausreicht, dass das entsprechende Verfahren anhängig war. Festsetzbar sind nach § 11 Abs. 1 RVG zum einen die "gesetzliche" Vergütung, also diejenige, die nach den Gebührentatbeständen des VV RVG entstanden ist, sowie zum anderen Aufwendungen nach § 670 BGB. Ansprüche aus Vergütungsvereinbarungen oder Vergütungen nach dem BGB scheiden also aus.[21] Die entsprechende Gebühr muss aber nicht zwingend durch eine Tätigkeit vor Gericht entstanden sein. Vielmehr reicht es aus, dass ein gerichtliches Verfahren überhaupt anhängig ist.

 

Rz. 55

 

Beispiel

Anwalt A macht für Fahrer F Unfallschäden in Höhe von 10.000 EUR gerichtlich geltend. Vor dem Verhandlungstermin einigen sich die Parteien über den Klageanspruch und über einen weiteren, nicht anhängigen Schmerzensgeldanspruch über 5.000 EUR, hinsichtlich dessen Klageauftrag besteht. Sie erklären daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

A kann folgende Gebühren abrechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100    
aus 10.000 EUR 798,20 EUR  
2. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101    
aus 5.000 EUR 267,20 EUR  
gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,3 aus 15.000 EUR 933,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104    
aus 15.000 EUR   861,60 EUR
4. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003    
aus 10.000 EUR 614,00 EUR  
5. 1,5-Einigungsgebühr, VV 1000    
aus 5.000 EUR 501,00 EUR  
insgesamt max. 1,5 aus 15.000 EUR   1.077,00 EUR
6. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 2.892,00 EUR  
7. Umsatzsteuer, VV 7008   549,48 EUR
Gesamt   3.441,48 EUR

Diese Gebühren können sämtlich im Verfahren nach § 11 RVG gegen F festgesetzt werden. Dies gilt auch für die gesamte Einigungsgebühr, da es ausreicht, wenn der Gegenstand der Einigung zumindest teilweise mit dem Verfahrensgegenstand identisch ist.

 

Rz. 56

War der Anwalt schon vor dem Klageverfahren mit der außergerichtlichen Regulierung beauftragt, so ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden. In § 15a Abs. 1 RVG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Geschäftsgebühr, ebenso wie die Verfahrensgebühr, auch angesichts der Anrechnungsregelung in Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG zunächst in voller Höhe selbstständig entsteht. Der Anwalt kann also beide Gebühren (Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr) fordern, im Ergebnis jedoch nicht mehr als den nach Anrechnung verbleibenden Teilbetrag der Gesamtsumme. Die Geschäftsgebühr kann der Anwalt gegen den eigenen Mandanten im Verfahren nach § 11 RVG dann geltend machen, wenn die Geschäftsgebühr zu den Vorbereitungskosten des gerichtlichen Verfahrens gehört bzw. wenn sie prozessbezogen ist.[22]

 

Rz. 57

Es sind hier allerdings die Einschränkungen des § 11 Abs. 8 RVG zu berücksichtigen. Da es sich bei der Geschäftsgebühr um eine Rahmengebühr handelt, kann nur die Mindestgebühr von 0,5 festgesetzt werden, wenn nicht der Auftraggeber einer höheren Festsetzung ausdrücklich und schriftlich zugestimmt hat. Diese Zustimmungserklärung des Mandanten kann nicht schon bei Auftragserteilung erfolgen, sondern erst nach dem Abschluss der Angelegenheit.[23] Im Übrigen bleibt dem Anwalt nur die Honorarklage gegen den Auftraggeber.

 

Rz. 58

 

Beispiel

Anwalt A hat Eigentümer E außergerichtlich bei der Regulierung eines überdurchschnittlich schwierigen Unfallschadens vertreten. Nachdem der gegnerische Haftpflichtversicherer auf die Forderung von 10.000 EUR mit dem Einwand der Mitverursachung durch E nur einen Betrag von 4.000 EUR gezahlt hat, wurden die restlichen 6.000 EUR auftragsgemäß eingeklagt. Nach Abweisung der Klage weigert sich E, die Rechnung des A zu zahlen.

A kann folgende Gebühren abrechnen:

 
I. Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 10.000 EUR)
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   921,00 EUR
2. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 941,00 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   178,79 EUR
Gesamt   1.119,79 EUR
II. Gerichtliche Tätigkeit (Wert: 6.000 EUR)
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   507,00 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   468,00 EUR
3. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
./. 0,75-Geschäftsgebühr aus 6.000 EUR   – 292,50 EUR
Zwischensumme 702,50 EUR  
4. Umsatzsteuer, VV 7008   133,48 EUR
Gesamt   835,98 EUR

Im Verfahren nach § 11 RVG kann A ...

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