I. Definition

 

Rz. 156

Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges; dolus eventualis genügt. Der Versicherer muss Vorsatz und Rechtswidrigkeit[171] beweisen ("Vorsatztheorie"); für Schuldausschließungsgründe oder Rechtfertigungsgründe ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig.[172]

 

Rz. 157

Putativnotwehr schließt den Vorsatz aus.[173]

[171] OLG Düsseldorf VersR 1994, 850; OLG Hamm r+s 1996, 43; Prölss/Martin/Lücke, § 103 VVG Rn 1.
[172] BGH zfs 1987, 6; LG München II zfs 1987, 89; Stiefel/Maier, § 103 VVG Rn 37 m.w.N.
[173] OLG Düsseldorf VersR 1994, 850.

II. Beweislast

 

Rz. 158

Der Versicherer hat für den objektiven Tatbestand den Vollbeweis nach § 286 ZPO zu führen. Ihm kommen keine Beweiserleichterungen zugute.

Die Regeln des Anscheinsbeweises sind für die Feststellungen des Vorsatzes nicht anzuwenden.[174] Es kommt daher nur der Indizienbeweis in Betracht.[175]

[174] Stiefel/Maier/Halbach, § 81 VVG Rn 30; BGH VersR 1988, 683 = NJW 1988, 2040.
[175] Stiefel/Maier, § 103 VVG Rn 34.

III. Leistungsfreiheit

 

Rz. 159

Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles führt sowohl in der Kaskoversicherung (§ 81 VVG) als auch in der Haftpflichtversicherung (§ 103 VVG) zur Leistungsfreiheit des Versicherers.[176]

 

Rz. 160

Im Bereich der Kaskoversicherung ist der Vorsatz von Hilfspersonen dem Versicherungsnehmer nicht anzurechnen, es sei denn, diese Hilfsperson ist Repräsentant des Versicherungsnehmers.[177]

 

Rz. 161

Der Haftungsausschluss nach § 103 VVG in der Haftpflichtversicherung gilt nur für den vorsätzlich Handelnden, also für den Fahrer.

 

Rz. 162

Der subjektive Risikoausschluss gemäß § 103 VVG greift auch dann zugunsten des Haftpflichtversicherers ein, wenn der vorsätzlich handelnde Schadenverursacher ein Schwarzfahrer ist.[178]

 

Rz. 163

Bei § 103 VVG handelt es sich nicht um eine Obliegenheit, sondern um einen subjektiven Risikoausschluss, der nicht von § 117 VVG (§ 3 Nr. 4 PflVG a.F.) umfasst wird; dieser Risikoausschluss wirkt daher auch gegenüber dem geschädigten Dritten.[179]

 

Beispiel

Bei vorsätzlicher Herbeiführung eines Verkehrsunfalls hat der Geschädigte keinen Schadenersatzanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers.

 

Rz. 164

Gegenüber dem Halter kommt die Versagung des Versicherungsschutzes nach § 103 VVG nur in Betracht, wenn er selbst vorsätzlich gehandelt hat.[180]

 

Aber

Der Halter handelt fahrlässig, wenn er durch eine unzureichende Verwahrung des Kfz-Schlüssels einem angetrunkenen und selbstmordgefährdeten Teilnehmer einer Privatfeier die Benutzung des Fahrzeugs ermöglicht, mit dem dieser einen Unfall vorsätzlich herbeiführt. Die Kfz-Haftpflichtversicherung bleibt jedoch gegenüber dem Halter eintrittspflichtig.[181]

 

Rz. 165

Ist der Versicherer gemäß § 103 VVG leistungsfrei, kann der Geschädigte nur noch Ansprüche aus dem Entschädigungsfonds beim Verein Verkehrsopferhilfe e.V., Wilhelmstr. 43/43 G, 10117 Berlin, Tel: (030) 20 20 5858, Internet: www.verkehrsopferhilfe.de, voh@verkehrsopferhilfe.de, gemäß § 12 PflVG geltend machen.

[176] OLG Oldenburg r+s 1999, 236; OLG Celle zfs 2004, 122.
[177] Stiefel/Maier, AKB F Rn 54 ff.
[178] OLG Hamm zfs 1996, 260.
[179] OLG München VersR 1990, 484; OLG Hamm zfs 1996, 260; OLG Oldenburg VersR 1999, 482; AG Berlin-Wedding r+s 1997, 319.
[180] Stiefel/Maier, § 103 VVG Rn 6; OLG Köln VersR 1982, 383; OLG Hamm r+s 1996, 339.
[181] OLG Oldenburg r+s 1999, 236; OLG Nürnberg, 3 U 188/11, r+s 2012, 65.

IV. Rechtsprechung

 

Rz. 166

Bei verabredetem Unfall tritt Leistungsfreiheit nicht gegenüber dem unbeteiligten Halter ein; dieser kann auch die Hälfte seines Schadens bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend machen.[182]
Wenn Brandspuren auf das Entstehen des Feuers im Fahrgastraum hindeuten und technische Ursachen hierfür auszuschließen sind, ist von vorsätzlicher Brandstiftung auszugehen.[183]
Wenn ein Fahrzeug kurze Zeit nach angeblicher Entwendung ausgebrannt, aber ohne Kennzeichen und Aufbruchsspuren aufgefunden wird, kann dies die Überzeugung begründen, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat.[184]
Der Kfz-Haftpflichtversicherer haftet nicht für einen Fahrzeugzusammenstoß, den der Versicherungsnehmer vorsätzlich in Suizidabsicht herbeiführt.[185]
Der Vorsatz im Sinne von § 103 VVG muss auch die Schadenfolgen umfassen. Es genügt, dass der Versicherungsnehmer sich diese Folgen zumindest in ihren Grundzügen vorgestellt hat. Ein Autofahrer, der nach einer Auseinandersetzung mit seinem Fahrzeug einem anderen Verkehrsteilnehmer nachfährt und an diesen, während er sein Fahrzeug aufschließt, so nah heranfährt, dass er zwischen beiden Fahrzeugen eingeklemmt wird, nimmt die dabei eingetretenen schweren Verletzungen billigend in Kauf.[186]
Der Versicherungsnehmer handelt mit dolus eventualis, wenn er durch eine Vollbremsung einen Auffahrunfall provoziert.[187]
Die Rechtsprechung des BGH, dass der Versicherer eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles ohne Beweiserleichterungen voll zu führen hat, verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG, zumal dem Versi...

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