Rz. 94

Der ideale Mandant hält sich an den vereinbarten Termin, überlässt die relevanten Unterlagen in geordneter Reihenfolge (einschließlich etwaiger Postzustellungsurkunden), informiert den Rechtsanwalt über die maßgebenden Tatsachen und hält sich mit der Präsentation seiner eigenen Rechtsauffassung zurück. Auf Nachfragen zum Sachverhalt antwortet er konzentriert und in der gebotenen Kürze. Maßgebende Beweismittel kann er benennen. Er ist zuverlässig, insbesondere gut erreichbar und beanstandet die Gebührenabrechnungen nicht. Derartige Glücksfälle sind in der anwaltlichen Praxis eher selten.

 

Rz. 95

Fast jeder Mandant dürfte wohl zum ersten Besprechungstermin (dies gilt besonders für Familiensachen) nicht in seiner gewöhnlichen Tagesform erscheinen, denn ein Gespräch beim Rechtsanwalt stresst normalerweise, insbesondere bei emotionaler Betroffenheit. Um den Mandanten überhaupt in die Lage zu versetzen, die für den Sachverhalt wesentlichen Informationen mitzuteilen, sollte ihm das Gefühl vermittelt werden, dass er juristisch gut aufgehoben ist und verstanden wird und dies nicht nur in der Angelegenheit selbst. Empathie ist also durchaus angebracht.

 

Rz. 96

Bisweilen hat man es aber auch mit Auftraggebern zu tun, die extrem schwierig sind. So mancher scheinbar leutselige und dem Rechtsanwalt gegenüber lammfromm und unterwürfig auftretende Rechtssuchende ist vorher schon unangenehm aufgefallen, indem er sich Mitarbeitern gegenüber anmaßend und respektlos verhalten hat. Oder er erscheint überhaupt erst zum zweiten oder dritten für ihn reservierten Besprechungstermin, hat unvollständige Unterlagen in einem Schuhkarton gesammelt und präsentiert seine vorgefertigte Rechtsauffassung anstatt Fakten. Ärgerlich ist auch, wenn der Mandant in derselben Sache in kurzer zeitlicher Abfolge mehrere Termine hintereinander verlangt oder dem Rechtsanwalt mit Belanglosigkeiten auf die Nerven fällt, wenn er z.B. seine neue Adresse höchstpersönlich mitteilen oder ihn wegen einer Aktenauskunft sprechen will, obwohl dies ohne Weiteres Mitarbeiter erledigen könnten. Oftmals wird nicht um der Sache willen gestritten, sondern um "das Prinzip".

 

Rz. 97

Aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus und in der Hoffnung, einen problematischen Klienten in den Griff zu bekommen, werden auch schwierige Auftraggeber zumeist nicht abgewiesen. Sollte sich jedoch bereits von vornherein abzeichnen, dass eine Mandatsannahme zu einer nicht überschaubaren, eher grenzwertigen Bearbeitung der Angelegenheit führen würde, sollte sorgfältig abgewogen werden, ob nicht doch auf den Abschluss eines Rechtsanwaltsvertrages verzichtet werden kann, zumal bei einer definitiven Abneigung gegen den Mandanten eine glückliche Hand bei der Geschäftsbesorgung höchstwahrscheinlich fehlen wird.

 

Rz. 98

Stellt sich heraus, dass der Mandant mit falschem Tatsachenvortrag seinen Fall gewinnen will, muss das Mandat, soweit es bereits angenommen wurde, umgehend gekündigt werden, damit keine Beihilfe zum Betrug geleistet wird.

 

Rz. 99

Ansatzweise nörglerische und streitsüchtige Mandanten sollten effizient behandelt werden. Die Gesprächsführung sollte der Anwalt für sich beanspruchen. Wichtig ist, dem Mandanten keinen Ansatzpunkt für berechtigte Kritik zu geben, speziell also Zusagen in Bezug auf die Mandatsbearbeitung einzuhalten. Dies ist schon deshalb wichtig, um gegenüber dem Mandanten nicht in die Defensive zu geraten.

 

Rz. 100

Grundsätzlich dürften folgende Maßnahmen geeignet sein, auch einen schwierigen Mandanten zu seinem Vorteil auf den richtigen Weg zu bringen:

Die Gesprächsführung sollte strukturiert und versachlicht sein.
Das zentrale Gesprächsthema bleibt Zentrum des Besprechungstermins. Ein Abdriften in Nebensächlichkeiten ist zu vermeiden.
Mit der "Technik des aktiven Zuhörens" werden die wesentlichen Angaben des Mandanten zusammenfassend wiedergegeben ("gespiegelt"). Der Anwalt präsentiert sich damit als guter Zuhörer und reduziert Konfliktpotenzial.
Ein ähnlicher Ansatzpunkt ist, einem aufgeregten Mandanten entgegenzukommen, indem Verständnis für seinen Standpunkt signalisiert und auf diese Weise auf die Beweggründe und Befindlichkeiten des Mandanten eingegangen wird. Dann kann es möglicherweise gelingen, den Mandanten dazu zu bewegen, in gleicher Weise offen für die anwaltlichen Darlegungen zu sein.
In Bezug auf das weitere Vorgehen sollte eine klare Absprache getroffen werden, z.B. das Zusenden eines Schriftsatzentwurfs an den Mandanten, den dieser binnen einer bestimmten Zeitspanne gegenlesen möge oder die Vereinbarung eines weiteren Besprechungstermins, nachdem die Gegenseite auf einen Brief reagiert hat.
Bei Provokationsversuchen eines (auch impertinenten) Mandanten sollte der Rechtsanwalt gelassen bleiben und keinesfalls in eine (offene) Konfrontation eintreten. Ggf. kann mit sog. "Ich-Botschaften" reagiert werden, ohne auf den Inhalt des Angriffs einzugehen, z.B.: "Frau Meisel, ich bin erstaunt darüber, was sie da gesagt haben." Vielleicht kann der Mandant gebeten ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge