Rz. 7

Der zweite Teil des Gebührentatbestandes betrifft die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Unter "Mitwirkung" ist jede Tätigkeit des Anwalts zu verstehen: Das Entwerfen des Vertrags im Ganzen oder in Teilen; die Überprüfung und Bearbeitung von Entwürfen im Ganzen oder in Teilen, die die Gegenseite vorgelegt hat; Verhandlungen mit der Gegenseite; bloße Unterstützung des Mandanten (der selber verhandelt) bei der Erarbeitung eines Vertrages ohne persönlichen Kontakt mit der Gegenseite. Auch die Prüfung eines vorgelegten Vertragsentwurfs für sich allein fällt unter Nr. 2300 VV RVG (str., a.A. die h.M.).[3] M.E. übersieht die h.M., dass zwar das bloße Überprüfen eines von einem Dritten hergestellten Vertragsentwurfs (ohne Gegenvorschläge oder Gegenformulierungen zu machen) tatbestandsmäßig eine Beratung ist. Die Vorb. 2.3 Abs. 3 VV RVG ist aber eine Ausnahme vom Tatbestand der Beratung. Das Wort "mitwirken" ist ein ganz weit gefasster Begriff, der jegliche Mitwirkung umfasst. Die Prüfung eines Vertragsentwurfs kann keinen anderen Zweck haben als dem Mandanten auf dem Weg zum Vertragsabschluss zu helfen. Ein solches Gespräch ist nicht anders vorstellbar, als dass der Anwalt zumindest seine Zustimmung oder Ablehnung des Entwurfes ausspricht und begründet. Dann hat er aber bereits bei der Gestaltung des Vertrags "mitgewirkt".

 

Rz. 8

Andererseits heißt es jetzt "Vertrag" und nicht mehr "Urkunde". Eine verbreitete Meinung geht dahin, dass auch die einseitigen Erklärungen die Geschäftsgebühr auslösen, einschließlich des Entwerfens von Allgemeinen Geschäfts- oder Lieferbedingungen und einschließlich des Entwerfens von Testamenten.[4]

 

Rz. 9

Es werden folgende Überlegungen angestellt: Die Erstellung einer einseitigen Urkunde kann die Geschäftsgebühr auslösen. Dies wird durch Vorb. 2.3 Abs. 3 VV RVG keinesfalls ausgeschlossen. Dann muss aber ein Vertretungsmandat vorliegen. Bei der Errichtung von Testamenten komplizierterer Art ist es keine Seltenheit, dass der Anwalt nach außen hin tätig werden soll, also ein Vertretungsmandat hat.

 

Rz. 10

Eine andere Meinung geht davon aus, dass die Errichtung derartiger einseitiger Urkunden in § 34 RVG (Nr. 2100 a.F. VV RVG) nicht einzuordnen ist, weil das Entwerfen von Urkunden in Wahrheit weder eine Ratserteilung noch eine Auskunft ist. Man könnte sie dann unter Nr. 2300 VV RVG subsumieren.

 

Rz. 11

Wenn das Mitwirken bei der Erstellung einer Urkunde, die nicht "Vertrag" ist, als Beratungstätigkeit anzusehen wäre, würde § 34 RVG gelten. Mittlerweile lässt sich jedoch festhalten, dass die herrschende Rechtsprechung die Geschäftsgebühr für die Hilfe bei der Erstellung einer Urkunde versagt und dem Rechtsanwalt lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG zubilligt.[5]

Um dem damit einhergehenden erheblichen Verlust von Gebühren zu begegnen, ist dringend auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung hinzuwirken.

 

Rz. 12

Gelegentlich wünscht der Mandant den Entwurf eines Briefs, den er als eigenen Brief dem Ehepartner vorlegen will; öfter wird auch gewünscht, dass ein Brief statt an den Gegner an den Mandanten selbst geschrieben wird, aber zu dem ausdrücklichen Zweck, dem Ehegatten vorgelegt zu werden. Folgt man der in der Literatur vertretenen Meinung, wäre zu überlegen, ob auch diese Schriftstücke – Entwürfe – von Nr. 2300 VV RVG (statt § 34 RVG/Beratung) erfasst sein könnten. Konsequent ist – wenn man der h.M. folgt – diese Frage zu bejahen[6] (vorausgesetzt, dass diese Schreiben – z.B. durch rechtliche Ausführungen – in der Qualität einem "Vertrag" vergleichbar sind).

 

Rz. 13

Für die familienrechtliche Tätigkeit ergibt sich jedenfalls, dass sowohl Entwicklung eines Vertrages durch direktes Verhandeln mit der Gegenpartei (mündlich oder schriftlich) erfasst ist wie auch die Erstellung eines vollständigen oder teilweisen Vertragsentwurfs ohne Kontakt mit dem Gegner allein für den Mandanten; erfasst ist auch der Fall, dass der Mandant selbst verhandelt und sich nur immer wieder durch Vorlage von Entwürfen beraten lässt. Ein solches Gespräch ist – wie schon erwähnt (s. Rdn 7 ff.) – nicht anders vorstellbar, als dass der Anwalt zumindest seine Zustimmung oder Ablehnung zum vorgelegten Entwurf erklärt und begründet, womit er bereits an der Gestaltung des Vertrages "mitgewirkt" hat (str., vgl. Rdn 7 ff.). Bereits der anwaltliche Rat zur Annahme oder Ablehnung eines zur Prüfung von Mandanten vorgelegten notariellen Vertragsentwurfs kann die Geschäftsgebühr auslösen.[7] Eine einen Mietvertrag betreffende Entscheidung des BGH stützt diese Auffassung weiter.[8]

[3] A.A. AnwK-RVG/Wahlen/Onderka/N. Schneider, VV Vorb. 2.3 Rn 51; Kindermann, Gebührenpraxis für Anwälte, S. 439; Gerold/Schmidt/Mayer, VV 2300, Rn 16; wie hier Mayer/Kroiß/Teubel, VV Vorb. 2.3 Rn 6.
[4] So AnwK-RVG/Wahlen/Onderka/N. Schneider, VV Vorb. 2.3 Rn 52 f.; Gerold/Schmidt/Mayer, VV 2300 Rn 14 m. Hinweis auf die Gesetzesbegründung, die keinen Hinweis gebe, dass Nr. 2300 VV RVG nur dann anzuwenden ist, wenn die herzustellende Urk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge