Rz. 31

Der Gebührenrahmen der Nr. 2300 VV RVG ist außerordentlich weit: 0,5 bis 2,5. Dieser Rahmen wird gem. § 14 RVG ausgefüllt. Im Gebührenrahmen der Geschäftsgebühr sind Besprechungen eingeschlossen. Die Untergrenze des Gebührenrahmens kommt nur bei "denkbar einfacher außergerichtlicher Anwaltstätigkeit in Betracht". Die Höchstgebühr von 2,5 ist gerechtfertigt "wenn der Umfang oder die Schwierigkeit der Tätigkeit des Rechtsanwalts weit über den Normalfall hinausgegangen sind".[23] Es müssen also entweder sämtliche Umstände überdurchschnittlich sein oder aber das Merkmal "Umfang" oder das Merkmal "schwierig" so außerordentlich über dem Durchschnitt liegen, dass der Ansatz der Höchstgebühr gerechtfertigt ist, auch wenn die übrigen Umstände nur durchschnittlich sind.[24] Die Mittelgebühr ist 1,5 ((0,5 + 2,5) = 3,0 : 2 = 1,5) (nicht 1,3!) (wegen der Kappungsgrenze auf 1,3 vgl. § 3 Rdn 38).

 

Rz. 32

Die "denkbar einfachste Anwaltstätigkeit" kommt auch im Familienrecht vor, allerdings nicht häufig. Fälle wären etwa, die Gegenseite an ein bereits vereinbartes Umgangsrecht zu erinnern; schon den Kindesunterhalt bei vorgegebenem Einkommen des Vaters und Vorliegen des tabellarischen Regelfalls (zwei Unterhaltsberechtigte ab 1.1.2010) geltend zu machen ist nicht "denkbar einfachste Anwaltstätigkeit". Ein Vierergespräch mit der dafür notwendigen eingehenden Vorbereitung, die weit über die Vorbereitung einer Klage hinausgehen kann, die übliche Zeitdauer eines solchen Gesprächs und die nachherige Aufarbeitung mit dem Mandanten werden kaum unter 2,0 abzurechnen sein.

 

Rz. 33

"Umfang" betrifft den zeitlichen Arbeitsaufwand, "Schwierigkeit" die Intensität der Arbeit.[25] Der "Umfang" der anwaltlichen Tätigkeit erfasst den gesamten zeitlichen Aufwand, einschließlich des Aktenstudiums, der Literaturrecherche, der Warte- und Wegezeiten. Allein schon wenn eine Besprechung mit Dritten oder der Gegenseite stattfindet, ist die Mittelgebühr gerechtfertigt.[26] Der "Umfang" einer Sache steht objektiv fest. Allerdings muss der Anwalt dafür sorgen, dass er nicht nur feststeht, sondern auch feststellbar ist. Im Hinblick auf den weiten Gebührenrahmen ist es wichtiger denn je, den Zeitaufwand festzuhalten, soweit er sich nicht unmittelbar aus den Akten ergibt (insbesondere den Zeitaufwand für Gespräche, Telefonate, Aktenstudium, Literaturrecherchen). Anhaltspunkte, was der durchschnittliche Zeitaufwand in Familiensachen ist, ergeben sich aus dem "Zeitbudget der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Scheidungs- und Folgesachen", die auf eine vom Bundesjustizministerium veranlasste Erhebung zurückgehen.[27]

 

Rz. 34

"Schwierige" Tätigkeiten sind gegeben, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen. Diese können auf juristischem Gebiet liegen: Es kann sich um Fragen auf entlegenen Spezialgebieten handeln, die noch wenig geklärt sind;[28] aus der Tatsache, dass die Gerichte selbst Spezialzuständigkeiten geschaffen haben oder dass Fachanwaltschaften eingerichtet worden sind, kann sich ergeben, dass die Tätigkeiten "schwierig" sind;[29] zu den "schwierigen" Tätigkeiten gehören solche, die besondere buchhalterische oder steuerrechtliche Kenntnisse verlangen; schwierig ist die Prüfung medizinischer und insbesondere psychiatrischer Gutachten und allgemein die Auswertung eines Fachgutachtens auf nicht alltäglichem Gebiet.[30] Angesprochen sind aber auch Schwierigkeiten eines Mandats, die in Art und Persönlichkeit des Mandanten liegen.[31] Es werden Angelegenheiten genannt, die nicht in einem abgeschlossenen Fall bestehen, sondern sich während des Mandats weiterentwickeln, was typischerweise bei den familienrechtlichen Mandaten wegen ihrer sich ändernden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gilt.[32]

 

Rz. 35

Die "Schwierigkeit" wird der Fachanwalt oder der Anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt anders sehen als der Allgemeinanwalt oder der auf andere Gebiete spezialisierte. Maßgebend ist nicht, was der Spezialist schwierig findet, sondern was der Durchschnittsanwalt schwierig findet. Ist die Angelegenheit objektiv schwierig, bleibt sie schwierig, auch wenn sie für den Spezialisten nicht so schwierig ist wie für den Allgemeinanwalt.[33]

 

Rz. 36

Ein weiterer Gesichtspunkt im Rahmen des § 14 RVG ist zu erwähnen: Wegen der Dauerwirkung und der Schwierigkeit, einen Fehler im Rahmen der §§ 238, 239 FamGKG nachträglich zu korrigieren, ist gerade in Unterhaltssachen die Haftungsgefahr i.R.d. Nr. 2300 VV RVG besonders zu berücksichtigen. Das Gleiche gilt für den Versorgungsausgleich.[34]

 

Rz. 37

Schon bei der Beratungsgebühr war auf die Notwendigkeit, Umstände, die bei der Anwendung des § 14 RVG eine Rolle spielen können, in den Akten festzuhalten, hingewiesen worden. Dies gilt umso mehr bei dem noch deutlich größeren Gebührenrahmen der Geschäftsgebühr. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Partei werden sich in Familiensachen meist ohnehin aus den Akten ergeben. Die Schwierigkeit und eventuelle besondere Haftungsgefahren sind eben...

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