Rz. 46

Verwender ist nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB die Vertragspartei, die der anderen Vertragspartei bei Vertragsabschluss Allgemeine Geschäftsbedingungen stellt: sog. Stellen der Vertragsbedingungen (vgl. aber abweichend die Regelung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, die auch Drittklauseln erfasst, siehe § 6 Rdn 32 ff.). Das Merkmal "Stellen" ist formal zu verstehen: Der Verwender konfrontiert den Kunden mit einem vorformulierten Text und räumt diesem keinen Einfluss auf den Inhalt ein. Unerheblich ist dabei, ob der Verwender selbst, sein Interessenverband oder ein Dritter (bspw. ein Rechtsanwalt oder [Haus-]Notar[234] im Auftrag einer Partei)[235] die Bedingungen aufgesetzt hat.[236] Etwas anderes gilt dann, wenn die Vertragsbedingungen von einem Dritten – bspw. einem Makler oder Notar – vorgeschlagen werden.[237]

 

Rz. 47

Verwender (bzw. "Veranlasser") ist im Interesse eines erhöhten Schutzniveaus auch derjenige (Unternehmer), dessen (ständig verwendeten) Allgemeine Geschäftsbedingungen in "vorauseilendem Gehorsam" gegenüber dem anderen Vertragspartner in ein Angebot aufgenommen worden sind, da nach aller Erfahrung ansonsten (wegen der Marktmacht der Marktgegenseite)[238] ein Vertragsschluss nicht zu erwarten steht[239] (sog. "Rollentausch" bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen):[240] Schließt eine Vertragspartei i.d.R. Verträge nur unter Einbeziehung von bestimmten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab, ist (bleibt) sie auch dann "Verwenderin" i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn ihr Vertragspartner gerade diese Vertragsbedingungen im Hinblick darauf bereits in sein Angebot aufgenommen und somit formal in den Vertragsabschluss eingeführt[241] und damit formal die Stellung des Verwenders eingenommen hat).[242]

In solchen Konstellationen bedarf es allerdings dann einer besonderen Darlegung, dass es sich nicht um selbst entworfene Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.[243]

Für den Fall, dass die Einbeziehung vorformulierter Bedingungen – im konkreten Fall: Aufrechnungsverbotsklausel – auf beide Vertragspartner zurückgeht, finden die §§ 305 ff. BGB hingegen darauf keine Anwendung.[244]

 

Rz. 48

 

Beachte

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versteigerers können bei Versteigerungen regelmäßig nicht dem Einlieferer als "Verwender" zugerechnet werden.[245]

 

Beachte zudem

Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten aber nach der gesetzlichen Fiktion des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB bei Verträgen zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB – Verbraucherverträge) – selbst wenn es sich um Drittklauseln handelt – als vom Unternehmer gestellt (vgl. § 6 Rdn 32 ff.). Dies bedeutet, dass bei Standard-Verbraucherverträgen tatsächlich von dritter Seite (nämlich von Maklern, Architekten usw.) in den Vertrag eingeführte Klauseln als vom Unternehmer gestellt gelten[246] (und selbst bei Klauseln in Einzel-Verbraucherverträgen sind nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB die Vorschriften über die AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB anzuwenden). Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden (bspw. weil dieser beim Autokauf auf die Verwendung der ADAC-Formulare bestanden hat), wobei dem Verwender die entsprechende Beweislast auferlegt ist.

 

Rz. 49

Bei Verträgen zwischen Verbrauchern gilt hingegen keine gesetzliche Vermutung, dass die Geschäftsbedingungen von einer der Parteien gestellt worden sind und welche der Parteien sie gestellt hat. Dies beurteilt sich dann nach den Umständen des konkret in Rede stehenden Einzelfalls – wobei die Verwendereigenschaft grundsätzlich von demjenigen darzulegen und zu beweisen ist, der sich im Individualprozess auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft.[247]

 

Beachte

Wenn bspw. in der Versicherungsbranche Vertragsbedingungen (z.B. für eine D&O-Versicherung) nicht vom Versicherer, sondern von einem Makler vorformuliert wurden, sind diese vom Makler (als Vertreter des Kunden), nicht jedoch vom Versicherer "gestellt"[248] mit der Folge, dass die §§ 305 ff. BGB dann nicht dem Schutz des Kunden dienen, sondern zugunsten des Versicherers Berücksichtigung finden.[249] Der Kunde muss sich dann also das Vorformulieren der Versicherungsbedingungen durch den Makler zurechnen lassen.[250] Dazu merkt v. Westphalen[251] an: "Dass dieser Ansatz praktische Auswirkungen etwa auf den formularmäßig fixierten Umfang einer Haftpflichtversicherung bei einer "claims-made"-Police hat, aber auch bei verschiedenen Risikobegrenzungs- oder Risikoausschlussklauseln eingreifen dürfte, sollte künftig im Auge behalten werden."[252]

 

Rz. 50

Verwender der Vertragsbedingungen ist beim Bauherrenmodell im Zweifelsfall der Bauträger[253] – im Falle einer Verflechtung mit dem Treuhänder selbst dann, wenn der Treuhänder die Vertragsmuster ohne Beteiligung des Bauherrn entworfen hat.[254]

 

Rz. 51

Veranlassen (Stellen)[255] setzt – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB (siehe Rdn 48) – nach dem Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB voraus, dass d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge