Rz. 39

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen vom Verwender oder einem Dritten (d.h. bspw. einem vom Verwender beauftragten Notar, Vertreter oder Abschlussgehilfen)[201] für eine Vielzahl von Verträgen[202] im geschäftlichen oder nichtgeschäftlichen Verkehr[203] aufgestellt worden sein. Womit der lediglich für einen bestimmten Vertrag ausgearbeitete Text § 305 Abs. 1 BGB nicht unterfällt,[204] wohl aber § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB[205] (Einmalklausel reicht aus; siehe § 6 Rdn 36 ff.). Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer (i.S.v. § 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB – Verbraucherverträge) finden § 305 lit. c Abs. 2 und die §§ 306 und 307309 BGB sowie Art. 46 lit. b EGBGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.

 

Rz. 40

Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals Vielzahl von Verträgen ist auf die Umstände des konkreten Falles abzustellen,[206] wobei bereits die einmalige Verwendung eines Vertragsformulars – bspw. eines Mustervertrags – ausreicht, sofern das Formular generell nur für eine Vielzahl von Fällen Verwendung finden soll.[207] Der Verwender muss zur Zeit des Vertragsabschlusses[208] beabsichtigen, die vorformulierten Klauseln für eine unbestimmte Zahl (Vielzahl von Fällen) zu verwenden[209] (Absicht der Mehrfachverwendung). Verändert der Verwender die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Einzel­fall zu seinen Gunsten, gelten die §§ 305 ff. BGB gleichwohl – ihrem Schutzzweck folgend – entsprechend.[210] Die bloße Absicht, sie für eine bestimmte Zahl von Fällen zu verwenden, reicht aus, wenn eine mindestens dreimalige Verwendung (auch gegenüber dem gleichen Partner)[211] ins Auge gefasst wird.[212] Nicht erforderlich ist eine Absicht, sie gegenüber verschiedenen Parteien zu verwenden.[213] Bereits bei der ersten Verwendung handelt es sich dann um eine Allgemeine Geschäftsbedingung.[214]

 

Rz. 41

Der Mehrfachverwendungsnachweis gegenüber dem Verwender, d.h. entweder

die Absicht einer Mehrfachverwendung oder dass
tatsächlich eine mindestens dreimalige Verwendung stattgefunden hat,

bereitet praktische Schwierigkeiten, weswegen die Judikatur auf eine "Typizität der Vertragsgestaltung" abstellt, "um daraus abzuleiten, dass der Verwender die betreffende Klausel nicht nur für den Einzelfall entwickelt hatte":[215] Gelingt ein Typizitätsnachweis einer Klausel – vor allem einer vergleichbaren Vertragsstruktur –, nimmt die h.A. einen Prima-facie-Beweis des Vorliegens der Voraussetzungen einer AGB-Klausel an.[216] In diesem Kontext genügt allerdings nicht eine bloße Einlassung des Kunden "ins Blaue hinein",[217] dass der Verwender eine Mehrfachverwendung beabsichtigt.[218]

 

Beachte

Benutzt der Verwender von einem Dritten für eine mehrfache Verwendung formulierte Bedingungen, ist nicht erforderlich, dass er selbst eine mehrfache Verwendung plant.[219]

 

Rz. 42

Wenn die gleiche Haftungsklausel in zwei Verträgen mit einem Kunden und in einem weiteren Vertrag mit einem anderen Kunden verwendet wird, findet § 305 Abs. 1 S. 1 BGB somit Anwendung[220] (arg.: Der Wortlaut spricht nicht vom gleichen Vertragspartner des Verwenders, sondern von einer "Vielzahl von Verträgen").

Sind Verträge nach Aufbau, Inhalt und Wortlaut (bis auf wenige Worte) identisch, spricht also schon der äußere Anschein für eine mehrfache Verwendung. Aus Inhalt und Gestaltung der Klauseln folgt bereits die widerrufliche Vermutung dafür, dass diese (weil sie nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt worden sind) zur "mehrfachen Verwendung" vorformuliert wurden.[221] Auf eine Mehrfachverwendung einer Klausel darf und kann damit immer dann geschlossen werden, wenn – wie bspw. bei einem Bauvertrag[222] – eine Reihe formelhafter Klauseln ohne Abstimmung auf die konkrete Situation Verwendung findet.[223]

 

Rz. 43

Der Anschein einer Mehrfachverwendung wird nicht bereits schon dadurch widerlegt, dass ein Vertrag in Teilen (bspw. bei der Preisfestlegung oder bei der Fixierung der Zahlungsbedingungen) auch individuelle Vereinbarungen enthält.[224]

 

Beachte

Bis zum Beweis des Gegenteils erwecken damit formelhaft verwendete Klauseln ohne Rücksicht auf den zugrunde liegenden Vertragstyp (und unabhängig davon, ob das formelhaft Wiederkehrende aus einem Muster, einer Datenbank oder dem Gedächtnis eines Anwalts bzw. der Rechtsabteilung eines Unternehmens herrührt) den Anschein einer Mehrfachverwendungsabsicht.[225]

 

Rz. 44

Bei Unternehmern (§ 14 BGB) wird die Absicht "mehrfacher Verwendung" oft indiziert sein.[226] Verwendet eine Vertragspartei die von Dritten vorformulierten Bedingungen (bspw. einen Mustermietvertrag oder VOB), resultiert der abstrakt-generelle Charakter (der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) bereits aus der Zweckbestimmung des Ausstellers,[227] womit die Absicht einer mehrfachen Verwendung durch die Vertragspartei selbst nicht erforderlich ist.[228] Nicht erforderlich i...

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