Rz. 35

Das Erfordernis "Vorformulierung"[175] ("für eine Vielzahl von Verträgen") qualifiziert Pfeiffer[176] als formelles und regelmäßig auch inhaltlich zutreffendes Indiz für die Annahme einer die Vertragsfreiheit beeinträchtigenden überlegenen Verhandlungsmacht des Verwenders. Es setzt eine (wenn auch nicht notwendigerweise schriftlich fixierte)[177] Vorbereitung ("zumindest im Kopf" des Verwenders)[178] – d.h. eine Klausel kann auch "im Kopf" vorformuliert werden[179] – der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für eine mehrfache Verwendung, d.h. eine Vielzahl von Verträgen (siehe Rdn 39 ff.) voraus, wobei Inhalts-, nicht aber Wortgleichheit gefordert ist.[180] Hingegen reicht eine Anweisung für den internen Gebrauch oder die Niederlegung in einer Richtlinie nicht aus.[181] Damit unterfällt diesem Tatbestandsmerkmal z.B. nicht der schriftliche Entwurf eines Individualvertrags.[182] Andererseits ist "Vorformulierung" anzunehmen, wenn eine Regelung (mit Wiederholungsabsicht) hand- oder maschinenschriftlich in einen Vertrag eingefügt wird[183] – selbst dann, wenn die Einfügung gelegentlich unterbleibt[184] bzw. (in Einzelfällen) unter Beibehaltung der sachlichen Identität eine unterschiedliche Fassung erfährt.[185]

Aus dem Aufbau und allgemein gehaltenen Klauseln eines Vertragswerks kann der (widerlegbare) Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) für das Merkmal "Vielzahl" in § 305 Abs. 1 S. 1 BGB abgeleitet werden,[186] wenn die Vertragsbedingungen nicht für den konkreten Vertrag vorformuliert worden sind und Regelungen enthalten, die dem Verwender günstig, dem anderen Vertragsteil aber zum Nachteil gereichen.[187] "Übernimmt man diesen beweisrechtlichen Ansatz, wird man ihn uneingeschränkt auch auf andere Fallkonstellationen erstrecken dürfen, in denen eine Partei vorformulierte Vertragsbedingungen einführt."[188]

Die §§ 305 ff. BGB sind – mit Rücksicht auf ihren Schutzzweck – auch auf eine vom Verwender vorformulierte einseitige Erklärung des anderen Teils anzuwenden, die im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis steht.[189]

 

Rz. 36

Der im Emissionsprospekt einer Fondsgesellschaft abgedruckte Mittelverwendungskontrollvertrag, der als ein dem Schutz der Anlieger dienender Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet ist, soll nach Ansicht des BGH[190] auch dann der Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterfallen, wenn er zwischen der Fondsgesellschaft (Versprechensempfänger) und dem als Mittelverwendungskontrolleur eingesetzten Wirtschaftsprüfer (Versprechender) individuell ausgehandelt wurde – was darin begründet liege, dass auch eine vordergründig einzeln ausgehandelte Vertragsbestimmung für eine Vielzahl von vertraglichen Verhältnissen vorformuliert sein könne, da es für die Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht darauf ankommt, ob derartige Klauseln Bestandteil eines zweiseitigen Vertrags sind. Vielmehr können nach dem Schutzzweck des AGB-Rechts auch vorformulierte Klauseln der Inhaltskontrolle unterliegen, die nicht im engeren Sinne Vertragsbedingungen sind, sofern sie im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen.[191]

 

Rz. 37

"Vorformuliert" sind – so der BGH[192] – auch vertraglich eingeräumte, gesetzlich aber nicht als erforderlich erachtete Widerrufsrechte zugunsten des Verbrauchers.[193]

Die Inhaltskontrolle zielt auf einen Ausgleich ungleicher Verhandlungspositionen (Sicherung der Vertragsfreiheit gegen die Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht des AGB-Verwenders),[194] wofür das Tatbestandsmerkmal des "einseitigen Vorformulierens" ein wichtiges Indiz ist.[195]

 

Rz. 38

"Gestellte Vertragsbedingung" ist auch ein Bearbeitungsentgelt, das ein Kreditinstitut zum Zweck einer Blankettausfüllung im Vertragsmuster "im Kopf gespeichert" hat[196] – ebenso wie das vorformulierte Vertragsmuster einer Leasinggesellschaft, in das entsprechend dem Vertragstyp noch ein spezifischer Restwert (als leasingtypische Amortisations- und Zahlungsverpflichtung des Leasingnehmers zum Vertragsende) eingefügt wird.[197]

Eine Bestimmung über ein Bearbeitungsentgelt in einem Darlehensvertrag zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher ist auch dann "vorformuliert" i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn das Bearbeitungsentgelt nicht in bestimmter Höhe in einem Preisaushang oder einem Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesen ist.[198] Es reicht aus, dass sie – wie bspw. beim Abschluss eines Online-Darlehensvertrages – zum Zwecke künftiger wiederholter Einbeziehung in Vertragstexte "im Kopf" des Kreditinstituts als Klauselverwender gespeichert ist, anhand der Daten des individuellen Darlehensvertrages nach bestimmten Vorgaben errechnet und sodann in den Vertrag einbezogen wird. "Vorformuliert" sind Vertragsbedingungen nämlich, wenn sie für eine Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind – wobei es aber ausreicht, wenn die Vertragsbedingung zum Zwecke künftiger Einbeziehung in Vertragstexte "im Kopf des Verwenders" gespeiche...

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