Rz. 422

Erhält der Arbeitnehmer kein Arbeitsentgelt, obwohl das Arbeitsverhältnis besteht, kann er sich gemäß § 158 Abs. 4 SGB III ("Gleichwohlgewährung") bei der Arbeitsagentur melden und – trotz des rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses – Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit beantragen. Arbeitslosengeld kann ein Arbeitnehmer sowohl für die Zeit vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch während des Insolvenzverfahrens und ebenso für die Zeit danach erhalten. Das bedeutet, dass er auch während des Insolvenzzeitraums Arbeitslosengeld beziehen kann.

 

Rz. 423

 

Hinweis

Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld werden im Insolvenzzeitraum auf Insolvenzgeld angerechnet!

 

Rz. 424

Da nach § 165 SGB III Insolvenzgeld nur für das noch ausstehende Arbeitsentgelt im Insolvenzzeitraum gezahlt wird, verringert sich die Höhe des Insolvenzgeldes, wenn der Arbeitnehmer Arbeitsentgelt während des Insolvenzzeitraums erhält. Das gilt gleichermaßen auch für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, der den Anspruch auf Arbeitsentgelt ersetzt. Der Arbeitnehmer, der im Insolvenzzeitraum Arbeitslosengeld (ganz oder zeitweise) bezieht, erhält somit nur einen geminderten Teil des Insolvenzgeldes.

 

Rz. 425

 

Hinweis

Einnahmen aus einem weiteren Arbeitsverhältnis, das der Arbeitnehmer seit längerer Zeit zeitgleich zu der Tätigkeit ausübt, für die er Insolvenzgeld beansprucht, werden nicht auf das Insolvenzgeld angerechnet.

 

Rz. 426

Wird Arbeitslosengeld auf das Insolvenzgeld angerechnet, verringert sich die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes für die im Insolvenzgeldzeitraum angerechneten Anspruchstage nicht, weil diese nicht als verbraucht gelten. Gleichwohl sollte der Arbeitnehmer zunächst nur den Antrag auf Insolvenzgeld stellen und erst für die folgende Zeit Arbeitslosengeld beantragen. Allerdings achten die Arbeitsagenturen hierauf im Allgemeinen bei der Antragstellung bzw. beraten entsprechend.

 

Rz. 427

Dem Bezug von Arbeitslosengeld steht nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist. § 158 Abs. 4 SGB III sieht vor, dass dem Arbeitnehmer, soweit er das ihm an und für sich zustehende Arbeitsentgelt nicht erhält, Arbeitslosengeld auch für die Zeit gezahlt wird, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld gem. § 158 Abs. 1 SGB III ruht, weil der Arbeitslose Arbeitsentgelt zu beanspruchen hat. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld hängt des Weiteren nicht davon ab, ob ein Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis besteht, sondern vielmehr davon, ob ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Leistungsrechts noch besteht, gleichgültig, ob das Arbeitsverhältnis weiter fortbesteht. Arbeitslosengeld kann ein Arbeitsloser auch beziehen, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Arbeitsleistung und ohne Entgeltzahlung fortbesteht, d.h. er freigestellt ist.

 

Rz. 428

Hängt der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 158 Abs. 4 SGB III (Gleichwohlgewährung) im Wesentlichen davon ab, dass der Arbeitnehmer das ihm zustehende Arbeitsentgelt nicht erhält, setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach §§ 137, 138 SGB III voraus, dass das Beschäftigungsverhältnis mit dem Arbeitgeber beendet ist (nicht unbedingt das Arbeitsverhältnis!). Das Beschäftigungsverhältnis kann der Arbeitnehmer jederzeit dadurch beenden, dass er tatsächlich die Arbeit aufgibt. In Fällen nicht unerheblicher Vergütungsrückstände oder wesentlicher untertariflicher Entlohnung ist der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich sogar zur fristlosen Kündigung berechtigt, so dass er arbeitsförderungsrechtlich nicht die Feststellung einer Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III befürchten muss.

 

Rz. 429

Ebenso wie es für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht notwendig ist, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist, ist es auch irrelevant, ob der Arbeitnehmer Beiträge zur Sozialversicherung (und damit auch zur Arbeitslosenversicherung) abgeführt hat oder dies unterlassen wurde, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer z.B. von einer selbstständigen Tätigkeit, einem Werkvertrag o.Ä. ausgegangen sind (zum Problem der Scheinselbstständigkeit in diesem Zusammenhang siehe Rdn 163 ff.). Die Beitragszahlung ist nicht Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld.

 

Rz. 430

Neben der Arbeitslosigkeit, die in § 138 Abs. 1 SGB III näher definiert wird, setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Arbeitslosigkeit weiter voraus, dass der Arbeitnehmer sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur zur Verfügung steht.

 

Rz. 431

Darüber hinaus muss er sich bei der Arbeitsagentur arbeitslos melden und die Anwartschaftszeit (innerhalb einer zweijährigen Rahmenfrist muss der Arbeitnehmer eine mindestens zwölfmonatige Zeit in einem Versicherungspflichtverhältnis – z.B. in einem Arbeitsverhältnis, im Krankengeldbezug, bei der Erziehung eines noch nicht dreijährigen Kindes usw. – zurückgelegt haben) erfüllen, §§ 137, 138 SGB III. Außerdem muss er gem. § 323 Abs. 1 SGB III einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen, wenngleich dieser Antrag mit der persönlichen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge