Rz. 67

Jeder Haftpflichtversicherungsvertrag dient dazu, den Versicherungsnehmer vom Risiko eines zwar fahrlässig verursachten, aber letztlich zufälligen Schadenseintritts zu befreien. Diesem Sinn und Zweck liefe es zuwider, wenn der Versicherungsnehmer gezielt und beabsichtigt einem Dritten einen Schaden zufügen und dies dennoch auf die Gemeinschaft der Versicherten abwälzen könnte. Vorsätzlich herbeigeführte Schadensfälle werden deshalb von Haftpflichtversicherungsverträgen nicht gedeckt. Dieser Grundsatz gilt auch für den Bereich der Pflichtversicherung. Die Einzelheiten hierzu regelt § 103 VVG Erfolgt eine vorsätzliche und widerrechtliche Herbeiführung des Verkehrsunfalls, wobei der Vorsatz alle entstandenen Schäden umfasst, wirkt sich der subjektive Risikoausschluss nach § 103 VVG auch auf die Haftung des Versicherers nach § 115 Abs. 1 Nr. 1, 4 VVG aus: Obwohl nach dem Wortlaut des § 117 Abs. 1 VVG an sich eine Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers im Außenverhältnis bestehen müsste, besteht nach Sinn und Zweck der betroffenen Vorschriften in diesen Fällen kein Durchgriffsanspruch gegen den Versicherer.[43]

Beruft sich ein Kfz-Haftpflichtversicherer auf Leistungsfreiheit wegen Vorsatzes, muss dies aber für jede Person geprüft werden, für die der Versicherer Versicherungsschutz zu gewähren hat. Die Leistungsfreiheit des Versicherers ist für jede versicherte Person im Innen- wie im Außenverhältnis gleichermaßen gesondert zu prüfen. Handelte der Fahrer, nicht aber der Halter bzw. Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig, so kann sich der Versicherer nicht auf eine Leistungsfreiheit nach § 103 VVG berufen.[44] Bei einer vorsätzlichen Schädigung im Rahmen einer sog. Schwarzfahrt ist zudem ein möglicher Haftungsausschluss zugunsten des Halters und damit der Versicherung nach § 7 Abs. 3 StVG zu berücksichtigen.

 

Rz. 68

Muster 3.15: Kein Haftungsausschluss trotz vorsätzlicher, widerrechtlicher Schadensherbeiführung bei Personenverschiedenheit

 

Muster 3.15: Kein Haftungsausschluss trotz vorsätzlicher, widerrechtlicher Schadensherbeiführung bei Personenverschiedenheit

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich komme zurück auf die im Betreff genannte Schadensache. Durch Schreiben vom _________________________ lehnten Sie Ihre Eintrittspflicht für das Schadensereignis mit der Begründung ab, ein Direktanspruch scheide wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Fahrer _________________________ aus. Nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage vermag ich mich hiermit nicht einverstanden zu erklären.

In der Kfz-Haftpflichtversicherung führt eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles jedoch nur in den Fällen zur Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers, in denen der Schaden durch sämtliche mitversicherten Personen, für die bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren ist, vorsätzlich herbeigeführt wurde. Dies ist hier gerade nicht der Fall. Insoweit kann dahinstehen, ob der Fahrer tatsächlich vorsätzlich gehandelt und den Schaden zumindest billigend in Kauf genommen hat. Darüber hinaus besitzt mein Mandant jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Halter des Kraftfahrzeugs gem. § 7 Abs. 1 StVG. Halter des Kraftfahrzeugs ist _________________________. Gem. der dem Vertrag zugrunde liegenden AKB ist der Halter des versicherten Fahrzeugs mitversicherte Person des Versicherungsvertrags. Hinsichtlich des Halters mag hingegen keine Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls bestehen. Ein möglicher Haftungsausschluss wegen Vorsatz im Hinblick auf den Fahrer als mitversicherte Person berührt den daneben bestehenden Anspruch gegen den Halter/Versicherungsnehmer nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht (vgl. BGH NJW 1981, 113; BGH VersR 1971, 239; OLG Köln VersR 1982, 383). Demgemäß sind Sie meinem Mandanten weiterhin in dem Maße eintrittspflichtig, in dem Sie den Halter von den berechtigten Ansprüchen meines Mandanten freizustellen haben.

Danach habe ich Sie aufzufordern, die mit Schreiben vom _________________________ bezifferten Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe von _________________________ EUR unverzüglich, spätestens jedoch bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist)

auf das Ihnen bekannte Konto meines Mandanten auszugleichen. Nach fruchtlosem Fristablauf werde ich meinem Mandanten empfehlen, die Angelegenheit einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[43] BGH VersR 1971, 239; BGH VersR 1990, 888; OLG Nürnberg, Urt. v. 7.6.2011 – 3 U 188/11 = zfs 2011, 554; OLG Celle, Urt. v. 30.6.2010 – 14 U 6/10 – juris.
[44] BGH NJW 1981, 113; BGH VersR 1971, 239; OLG Köln VersR 1982, 383; OLG Hamm NZV 1993, 68; OLG Nürnberg, Urt. v. 7.6.2011 – 3 U...

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