I. Übersicht

 

Rz. 62

Von zentraler Bedeutung für die Verkehrsunfallbearbeitung ist der aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG resultierende Direktanspruch des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des gegnerischen Unfallfahrzeugs. Danach haftet der Kfz-Haftpflichtversicherer dem Geschädigten in demselben Maße wie die Versicherten seines Vertrags. Anders als bei allgemeinen Haftpflichtversicherungsverträgen kann der Geschädigte den Kfz-Haftpflichtversicherer unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch nehmen und erforderlichenfalls auch verklagen.

Der Kfz-Haftpflichtversicherer haftet neben der versicherten Person nach § 115 Abs. 1 Nr. 4 VVG als Gesamtschuldner im Wege des gesetzlichen Schuldbeitritts. Hiervon streng zu trennen ist aber ein Gesamtschuldverhältnis zwischen mehreren Schädigern (§§ 7, 18 StVG i.V.m. § 840 BGB), von denen jede versicherte Person in einer anderen Kfz-Haftpflichtversicherung ist. Der Kfz-Haftpflichtversicherer wird in ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den unterschiedlichen Schädigern nicht mit einbezogen.[42]

 

Rz. 63

Wichtig ist, dass sich der Direktanspruch ausschließlich auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung beschränkt. Für private Haftpflichtversicherer gilt die Regelung des § 115 Abs. 1 Nr. 1, 4 VVG hingegen nicht. Die durch ein Tier, einen Fahrradfahrer oder einen Passanten verursachten Schäden begründen grundsätzlich keinen Direktanspruch gegen einen Privat-Haftpflichtversicherer des Schädigers.

Dennoch kommt es nicht selten vor, dass Direktklagen gegen Privathaftpflichtversicherer eingereicht und sodann mangels Passivlegitimation auf kurzem Wege abgewiesen werden. Dass derartige Klagen überhaupt anhängig gemacht werden, ist darauf zurückzuführen, dass die vorprozessuale Regulierung eines von einem Tier, einem Fahrradfahrer oder einem Passanten verursachten Schadens in aller Regel über einen privaten Haftpflichtversicherer abgewickelt wird. Auch wenn der Versicherer dabei in die Regulierung eintritt, ändert dies nichts an der Tatsache, dass weiterhin der Tierhalter, Fahrradfahrer bzw. Passant alleiniger Anspruchsgegner bleibt.

 

Rz. 64

Das System der Pflichtversicherung bietet eine sehr weitgehende Gewähr dafür, dass für jedes im öffentlichen Straßenverkehr geführte Kraftfahrzeug Versicherungsschutz in einer Kfz-Haftpflichtversicherung besteht. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, der sehr weit reichenden Haftung aus verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Anspruchsgrundlagen einen solventen Anspruchsgegner zur Verfügung zu stellen. Auf den Umfang der Eintrittspflicht des Versicherers im Rahmen des Direktanspruchs übt das Innenverhältnis zwischen dem Versicherer und seinem Versicherungsnehmer grundsätzlich keinen Einfluss aus. Sollte der Versicherungsnehmer versicherungsvertragliche Verpflichtungen gegenüber dem Versicherer verletzen, die den Versicherer zur Kündigung des Versicherungsvertrags berechtigen, ändert dies zumindest für einen bestimmten Zeitraum nichts an der grundsätzlichen Verpflichtung des Versicherers, den Versicherungsnehmer im Außenverhältnis von berechtigten Schadensersatzansprüchen Dritter freizustellen.

[42] BGH VersR 1981, 134; OLG Karlsruhe VersR 1986, 155.

II. Nachhaftung

 

Rz. 65

Die Haftung des Versicherers ist jedoch auch im Außenverhältnis nicht grenzenlos. Hat der Versicherer den Versicherungsvertrag z.B. wegen Prämienverzuges des Versicherungsnehmers wirksam gekündigt, haftet er gem. § 117 VVG auch im Außenverhältnis nur noch bis zum Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Mitteilung der Beendigung des Versicherungsverhältnisses gegenüber "der hierfür zuständigen Stelle", also der Straßenverkehrsbehörde.

 

Rz. 66

Muster 3.14: Eintrittspflicht trotz Vertragskündigung

 

Muster 3.14: Eintrittspflicht trotz Vertragskündigung

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der im Betreff genannten Schadensache komme ich zurück auf Ihr Schreiben vom _________________________. Darin lehnen Sie Ihre Eintrittspflicht mit der Begründung ab, der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer _________________________ sei bereits vor dem Schadensereignis wirksam gekündigt worden.

Entgegen der von Ihnen vertretenen Auffassung vermag Ihr bisheriger Tatsachenvortrag Ihre Eintrittspflicht nicht ohne weiteres zu beseitigen. Unstreitig gewährten Sie für das unfallverursachende Fahrzeug Versicherungsschutz. Demgemäß haften Sie grundsätzlich gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Der Direktanspruch wird nur unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 VVG beseitigt. Um sich hierauf berufen zu können, ist von Ihnen nachzuweisen, dass Sie den Versicherungsvertrag gegenüber dem Versicherungsnehmer wirksam gekündigt und die Beendigung des Versicherungsvertrags der zuständigen Straßenverkehrsbehörde wirksam mitgeteilt haben. Auch nach der Mitteilung besteht Ihre Haftung im Außenverhä...

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