Rz. 43

Eine Massenentlassung liegt vor, wenn der Arbeitgeber die maßgebliche Anzahl von Entlassungen innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen vornimmt, innerhalb dieser Zeit mithin die Kündigungen ausspricht, oder – bei besonderem Kündigungsschutz – den ­Antrag auf Zustimmung zu der Kündigung bei der zuständigen Behörde stellt.

 

Rz. 44

 

Hinweis

Werden Kündigungen nachträglich zurückgenommen, ändert dies nichts an dem ursprünglichen Vorliegen einer Massenentlassung.

 

Rz. 45

Nicht abschließend geklärt ist bislang, welcher Zeitpunkt bei dem Abschluss arbeitgeberseitig veranlasster Aufhebungsverträge maßgeblicher Entlassungszeitpunkt ist. Rechtlich wirksam wird die Entlassung gemäß § 623 BGB erst mit dem Zustandekommen des schriftlichen Aufhebungsvertrages durch beidseitige Unterzeichnung. Dieser Zeitpunkt kann allerdings von dem Arbeitgeber nicht beeinflusst werden, da der Arbeitnehmer allein darüber entscheidet, ob und zu welchem Zeitpunkt er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet. Richtigerweise wird deshalb auf den Zeitpunkt der Abgabe des Aufhebungsangebotes durch den Arbeitgeber abzustellen sein.

 

Rz. 46

 

Hinweis

Noch problematischer ist die Bestimmung des Entlassungszeitpunktes bei der arbeitgeberseitig veranlassten Eigenkündigung der Arbeitnehmer. Um zu gewährleisten, dass auch diese Arbeitnehmer in die Schutzmechanismen der §§ 17 ff. KSchG wirksam einbezogen werden, muss insoweit auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem der Arbeitgeber die Veranlassung für die Eigenkündigung setzt, etwa durch Androhung des Arbeitsplatzabbaus. Wollte man demgegenüber auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung des Arbeitnehmers abstellen, könnte dieser von dem Konsultationsverfahren mit der Arbeitnehmervertretung nicht mehr profitieren, sondern allenfalls noch in die Massenentlassungsanzeige aufgenommen werden.

 

Rz. 47

Der 30-Tages-Zeitraum ist für jede Entlassung individuell zu bestimmen. Es ist deshalb festzustellen, ob innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen vor und 30 Tagen nach einer Kündigung eine die Massenentlassung begründende Anzahl weiterer Entlassungen stattgefunden hat. Dabei sind alle Entlassungstatbestände zusammenzuzählen, auch wenn sie auf einem neuen, eigenständigen Kündigungsentschluss beruhen.[113] Diese auch retrospektive Betrachtungsweise hat zur Folge, dass bereits ausgesprochene Kündigungen durch nachfolgende Entlassungen nachträglich noch massenentlassungswirksam werden können.

 

Rz. 48

 

Beispiel

Der Arbeitgeber entlässt in einem Betrieb mit 25 Arbeitnehmern fünf Arbeitnehmer betriebsbedingt, ohne das Massenentlassungsverfahren durchzuführen. Der Ausspruch einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung aufgrund eines später festgestellten Sachverhalts innerhalb des 30-Tages-Zeitraums führt dazu, dass alle sechs Kündigungen massenentlassungsrelevant – und damit unwirksam – werden.

[113] BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14; KR/Weigand, § 17 Rn 81.

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