Rz. 1

Einem auftretenden Bedürfnis nach Abänderung einer Sorge- oder Umgangsrechtsregelung kann – auf Antrag oder von Amts wegen[1] – durch § 1696 BGB Rechnung getragen werden. (Antragsmuster im Formularteil, siehe § 13 Rdn 37 ff.) Diese – verfassungsrechtlich unbedenkliche[2] – Vorschrift erfasste nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht gerichtliche Verfügungen; also mussten etwa Elternvereinbarungen bezüglich des Umgangsrechts zum Beschluss erhoben worden sein, um einer Änderung nach § 1696 BGB zugänglich zu sein. Seit Inkrafttreten des FamFG sind von § 1696 BGB neben gerichtlichen Beschlüssen auch gerichtlich gebilligte Vergleiche nach § 166 Abs. 1 FamFG ausdrücklich erfasst. Für den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache ("res iudicata") verbleibt kein Raum; denn das Kindeswohl hat stets Vorrang.[3] Eine unabänderbare Entscheidung ist nicht denkbar,[4] weil Sorge- und Umgangsentscheidungen lediglich formeller, nicht aber materieller Rechtskraft fähig sind[5] (siehe zur Bedeutung des Abänderungsverfahrens bei einem laufenden Vollstreckungsverfahren Rdn 37). Auch mit Blick darauf besteht – selbst für den Fall der Feststellung durch den EuGHMR einer Verletzung der EMRK durch eine kindschaftsrechtliche Entscheidung kein Bedürfnis für eine Restitutionsklage analog § 580 Nr. 7b ZPO[6] bzw. – jedenfalls für vor dem 31.12.2006 rechtskräftig abgeschlossene Umgangsrechtsverfahren – nach § 48 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO.[7]

 

Rz. 2

Verfahren nach § 1696 BGB beginnen in erster Instanz immer beim Familiengericht. Ist das Verfahren in der zweiten Instanz anhängig, kann daneben erstinstanzlich kein Verfahren nach § 1696 BGB eingeleitet werden. Gleichwohl setzt die Abänderungsmöglichkeit nach § 1696 BGB voraus, dass die zugrunde liegende abzuändernde Regelung (formell) rechtskräftig ist bzw. – beim gerichtlich gebilligten Vergleich – wirksam geschlossen worden ist. Solange eine Entscheidung mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann, scheidet die Anwendbarkeit des § 1696 BGB aus.[8] Dies gilt auch, wenn die Sache nur noch teilweise in der Rechtsbeschwerdeinstanz anhängig ist;[9] in dieser Zeit ist mit einstweiligen Anordnungen zu arbeiten, für die dann das erstinstanzliche Gericht zuständig ist (§ 50 Abs. 1 S. 2 Fall 1 FamFG).[10] Allerdings haben die Beteiligten die Möglichkeit, durch außergerichtliche vertragliche Regelung den Verzicht auf ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zu vereinbaren.[11] Hat der bislang an der Sorge nicht beteiligte, mit der Mutter nicht verheiratete Vater ein Verfahren nach § 1626a Abs. 2 BGB eingeleitet (siehe dazu § 1 Rdn 35 ff.) und haben sich die Eltern im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens auf eine teilweise gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge geeinigt, legt aber ein Elternteil gegen die auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung des Familiengerichts Rechtsmittel ein, so kann im Rechtsmittelverfahren § 1696 BGB keine Anwendung finden.[12] Denn entweder ist die Vereinbarung (die kein gerichtlich gebilligter Vergleich sein kann, § 156 Abs. 2 BGB, siehe dazu § 2 Rdn 237)[13] in der Form einer wirksamen Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgeschlossen worden.[14] Dann bedurfte es keiner Sachentscheidung des Familiengerichts mehr, sondern wäre das Verfahren im Falle ausbleibender Antragsrücknahme nach § 22 Abs. 3 FamFG als für beendet erklärt anzusehen. Für die Anwendung von § 1696 BGB wäre dann jedenfalls kein Raum gewesen,[15] zumal eine nachfolgende Befassung des Beschwerdegerichts mit einem Abänderungsbegehren unzulässig wäre, da der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch den Verfahrensgegenstand begrenzt wird, über den im ersten Rechtszug entschieden wurde[16] (siehe dazu auch § 9 Rdn 48), das war aber kein Abänderungsantrag. Hier wäre die erstinstanzliche Entscheidung zu kassieren. Oder aber, die Vereinbarung genügte den Formerfordernissen (§§ 1626b ff. BGB, siehe dazu § 1 Rdn 45 ff.) für eine Sorgeerklärung nicht.[17] Dann stellt sich die Situation nicht anders dar als im Falle des Widerrufs der Zustimmung zur Sorgerechtsübertragung nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Diese ist bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz statthaft[18] (siehe dazu § 1 Rdn 237). Freilich können die Gründe für den Widerruf dann in die – durch den Widerruf veranlasste – Kindeswohlprüfung nach § 1626a Abs. 2 BGB (vgl. dazu § 1 Rdn 40 ff.) einfließen.[19]

 

Rz. 3

Auch eine noch vor dem 1.7.1998 vom – durch das FGG-RG seit 1.9.2009 abgeschaffte – Vormundschaftsgericht getroffene Regelung unterliegt nach Maßgabe von § 1696 BGB der Abänderung durch das Familiengericht.

 

Rz. 4

Die Änderung der ursprünglichen Regelung erfolgt nicht durch bloße Fortsetzung des früheren Verfahrens. § 1696 BGB enthält vielmehr die Vorgaben für ein selbstständiges Verfahren.[20] Deswegen ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts neu zu prüfen.[21] Eine Wiederaufnahme des Verfahrens in entsprechender Anwendung der §§ 578 ff. ZPO findet in Verfahren der ...

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