A. Deckungsprüfung

I. Verpflichtung der Rechtsschutzversicherung

1. Pflicht zur Deckungsprüfung

a) Allgemeines

 

Rz. 1

In § 1 ARB 2010 ist statuiert, dass der Rechtsschutzversicherer die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang erbringt. Eine Regelung über das Verfahren bei der Prüfung der Voraussetzungen für das Erbringen der Leistung enthalten die ARB nicht. Umgekehrt kann der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung erst nach Beendigung der Prüfung der Eintrittsvoraussetzungen fordern.

Die von einem Rechtsschutzversicherer erklärte Deckungszusage stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Dieses schneidet dem Versicherer solche Einwendungen und Einreden ab, die ihm zum Zeitpunkt der Erklärung bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete. An eine gewährte Rechtsschutzdeckung ist die Rechtsschutzversicherung auch gebunden, wenn sie einen Vorbehalt für den Fall, dass die Rechtsschutzdeckung bei Feststellung der vorsätzlichen Verursachung des Versicherungsfalls entfällt, gemacht hat.[1] Im entschiedenen Fall ergab sich im gemeldeten Sachverhalt, dass eine vorsätzliche Verletzung der vertraglichen Pflichten vorlag. Jedenfalls ist die Rechtsschutzversicherung an die erklärte Deckungsschutzzusage gebunden, weil diese ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstellt, mit der Folge, dass ihr solche Einwendungen und Einreden abgeschnitten sind, welche ihr zum Zeitpunkt der Erklärung bekannt waren.[2]

[1] OLG Braunschweig AG Spezial 2013, 599 = SVR 2014, 63.
[2] Vgl. auch Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., ARB 1975 § 17 Rn 14 m.w.N.

b) Die Regelung in den ARB

 

Rz. 2

Sedes materiae zur Klärung der Rechtsschutzdeckung ist § 17 Abs. 2 ARB 2010. Zu beachten ist die Regelung des § 17 Abs. 2 ARB 2010, wonach der Versicherungsnehmer gehalten ist, vor Einleitung von kostenauslösenden Maßnahmen die Deckungszusage des Versicherers abzuwarten. Ergreift er vor der Deckungszusage kostenauslösende Maßnahmen, dann sind diese nur insoweit vom Versicherungsschutz umfasst, als dies auch bei vorangehender Deckungsbestätigung der Fall wäre. Dies ist zu beachten auch im Sinne möglicher Schadenersatzpflicht des Anwaltes, wenn er trotz fehlender und fraglicher Deckung kostenauslösende Maßnahmen ergriffen hat im Vertrauen darauf, dass Rechtsschutzdeckung gegeben ist.[3] Praktische Auswirkung dürfte diese Regelung jedoch nicht haben, da der Anspruch auf Versicherungsleistung gegeben ist im Rahmen der Risikodeckung. Diese Regelung ist zu sehen primär als eine Ausprägung einer Obliegenheit.[4]

[3] Harbauer/Bauer, ARB 2000, § 17 Rn 18.
[4] Vgl. Prölss/Armbrüster, ARB 2008/II, § 17 Rn 16.

c) Voraussetzungen der Deckungsprüfung

 

Rz. 3

Die Prüfung der Eintrittspflicht durch die Rechtsschutzversicherung setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer oder der ihn vertretende Anwalt die bestehenden Obliegenheiten erfüllt, nämlich den Versicherer vollständig und wahrheitsgemäß zu unterrichten und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Schon in diesem Stadium trifft die Rechtsschutzversicherung eine Verpflichtung, auf die notwendigen Informationen seitens des Versicherungsnehmers und ebenso ggf. auf die notwendige Vorlage von Unterlagen hinzuwirken. Nach vollständiger Unterrichtung der Rechtsschutzversicherung ist diese verpflichtet, die Voraussetzungen der Rechtsschutzdeckung zu prüfen. Nach Rechtsprechung und Literatur ist in diesem Stadium der Rechtsschutzversicherung eine angemessene Überlegungsfrist - ähnlich wie bei Geldleistungen - zuzubilligen.[5] Diese mit 2 bis 3 Wochen zu bemessen,[6] scheint unangemessen, insbesondere in der Zeit der Nutzung moderner Kommunikation.

 

Rz. 4

In einer die K-Versicherung betreffenden Entscheidung wurde ein Prüfungszeitraum von 4 bis 6 Wochen zugebilligt.[7] Diese Einschätzung ist einmal absurd im Zeitalter moderner Organisation und zum anderen nicht auf die Deckungsprüfung bei der Rechtsschutzversicherung zu übertragen. Dies ergibt sich daraus, dass bei der Rechtsschutzversicherung die Fakten zur Deckungsprüfung einfacher zu klären sind, weil anders als in der Kraftfahrt- oder Allgemeinen Haftpflichtversicherung nicht Dritte beteiligt sind. Bei der gebotenen effizienten Organisation dürfte ein Prüfungszeitraum von einer Woche jedenfalls ausreichend sein. Im Übrigen kann angemerkt werden, dass in der Praxis bereits mehrere Rechtsschutzversicherer umgehend, in der Regel noch am gleichen Tag, möglicherweise auch direkt bei telefonischer Meldung Rechtsschutzdeckung erklären und bestätigen.

[5] BGH VersR 1974, 639; OLG Köln zfs 1983, 56 (2 Wochen); OLG Hamburg VersR 1967, 392 (in der Regel 2-3 Wochen); LG Münster VersR 1977, 658 (einige Tage) m. Anm. Martin; LG Bonn VersR 1990, 303 (4 Wochen bei Einstellung eines komplizierten Strafverfahrens); LG Köln VersR 1983, 385 (2-3 Wochen).
[6] AG Balingen r+s 1991, 310.
[7] AG Landstuhl zfs 2003, 145.

d) Rechtsschutzprüfung bei Eilbedürftigkeit

 

Rz. 5

Ist eine Rechtsangelegenheit und Entscheidung über den Versicherungsschutz eilbedürftig und hat der Versicherungsnehmer oder der ihn vertretende Anwalt deutlich erkennbar auf die Eilbedürftigkeit hingewiesen, so verkürzt sich die Überlegungs- u...

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