Rz. 23

Um die Problematik rund um ein Beweisverwertungsverbot zu vermeiden, geht die Polizei dazu über, den Beschuldigten unterschreiben zu lassen, dass er sich die Blutprobe freiwillig[38] entnehmen lässt. Ab einer bestimmten BAK ist dies durchaus bedenklich, insbesondere zu hinterfragen, ob der Beschuldigte überhaupt noch in der Lage ist, "freiwillig" zu agieren. Der Beschuldigte muss die Sachlage und sein Weigerungsrecht kennen und muss die Einwilligung ausdrücklich, eindeutig und aus freiem Entschluss erklären.[39] Auch muss der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Abgabe der Einwilligung in die Blutentnahme genügend verstandesreif sein, um die Tragweite seiner Einwilligungserklärung zu erkennen.[40] Zwar kann die Einwilligungsfähigkeit eines Beschuldigten aufgrund der Stärke des Alkoholeinflusses im Einzelfall zweifelhaft sein – hierfür genügt aber nicht bereits jede alkoholische Beeinflussung.[41] Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen werden, liegt nach der Rechtsprechung bei etwa 2 ‰ Blutalkohol.[42] Eine BAK von 1,23 ‰ hindert daher die Wirksamkeit der Einwilligung nicht.[43] Ob aber auch bei 4,02 ‰ der Verzicht auf eine richterliche Anordnung im Hinblick auf eine Einwilligung in eine Blutprobe nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führen soll,[44] ist eher fraglich. Für die Annahme einer Einwilligungsfähigkeit bei derartigen Werten ab 2,0 ‰ bedarf es einer näheren Darlegung der insoweit relevanten Umstände, etwa des Vorhandenseins von Ausfallerscheinungen, des vorangegangenen Trinkverhaltens, der Trinkgewohnheiten und ggf. weiterer Umstände, die Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten aufgrund der gegebenen Alkoholisierung darstellen.[45] Drängt sich dann auf, dass der Beschuldigte aufgrund der Alkoholisierung nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden, liegt ein Beweisverwertungsverbot nahe.

 

Rz. 24

Muster 28.7: Widerspruch gegen freiwillige Abgabe einer Blutprobe

 

Muster 28.7: Widerspruch gegen freiwillige Abgabe einer Blutprobe

Der Verwertung der entnommenen Blutprobe wird

widersprochen.

Es mag sein, dass mein Mandant unterschrieben hat, er willige in die freiwillige Entnahme der Blutprobe ein. Faktisch war er hierzu doch überhaupt nicht in der Lage, was sich den Polizeibeamten aufdrängen musste.

Aus der Strafanzeige ergibt sich, dass mein Mandant sich ohne Hilfe nicht auf den Beinen halten konnte. Er war nicht in der Lage, sich zu artikulieren. Gleichwohl haben die Polizeibeamten ihn ein Formular zur Freiwilligkeit unterschreiben lassen. Bestätigt wird dies auch aus dem Eindrucksvermerk (Bl. _________________________ der Akte). Hier wurden von den Polizeibeamten alkoholtypische Ausfallerscheinungen dokumentiert, etwa, dass mein Mandant den Finger-Nase-Test nicht mehr ausführen konnte. Aus dem Vermerk des Polizeibeamten _________________________ ergibt sich, dass auch die Unterschrift erst beim dritten Versuch klappte. Die Blutprobe, deren Verwertung hier widersprochen wird, ergab eine BAK von 4,02 ‰. Freiwilligkeit kann hier nicht mehr gegeben sein (Priemer/Gutt/Krumm, DAR 2016, 169). Zudem wurde mein Mandant um 12.00 Uhr angehalten, so dass ein Richter problemlos zu erreichen gewesen wäre, um eine Blutprobe anzuordnen. Es ist hier von Willkür der Polizeibeamten auszugehen, die zur Einstellung bzw. zum Freispruch führen muss (BVerfG zfs 2010, 525; OLG Dresden NZV 2009, 464; OLG Schleswig StV 2010, 618).

[38] Vgl. Priemer/Gutt/Krumm, DAR 2016, 169.
[39] Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 81a Rn 4 m.w.N.; OLG Hamm, Beschl. v. 2.11.2010 – III-3 RVs 93/10 – juris.
[40] OLG Hamm, Beschl. v. 28.4.2009 – 2 Ss 117 – juris; Heinrich, NZV 2010, 278 m.w.N.; OLG Hamm, Beschl. v. 2.11.2010 – III-3 RVs 93/10 – juris.
[41] LG Saarbrücken, Beschl. v. 13.11.2008 – 2 Qs 53/08 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 2.11.2010 – III-3 RVs 93/10, 3 RVs 93/10 – juris.
[42] OLG Hamm, Beschl. v. 2.11.2010 – III-3 RVs 93/10, 3 RVs 93/10 – juris; OLG Hamm NJW-Spezial 2011, 203.
[45] OLG Hamm NJW-Spezial 2011, 203.

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