Rz. 1

Die geringfügige Beschäftigung ist ein spätestens seit der Diskussion um die sog. Hartz-Gesetzgebung kurz nach der Jahrtausendwende ein beschäftigungs- und sozialpolitisch umstrittenes Thema, das eine erhebliche und politisch letztlich gewollte Bedeutung im allgemeinen deutschen Arbeitsmarkt hat.

 

Rz. 2

Aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit[1] ergibt sich, dass im November 2018 neben den rund 33,5 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland auch rund 7,6 Mio. geringfügig entlohnte Beschäftigte tätig waren, ­wovon wiederum mehr als 4,6 Mio. Personen ausschließlich, die übrigen gut 2,9 Mio. Beschäftigten im Nebenjob geringfügig entlohnt waren. Bei insgesamt in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegener Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftig­ten (November 2008: 27,9 Mio.; Anstieg bis November 2018: +21 %) ist die Anzahl der geringfügig Beschäftigten insgesamt allerdings nur von 7 Mio. Menschen auf knapp 7,6 Mio. Menschen (+8,3 %) gestiegen und diejenige der ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten sogar um 7 % von 5 Mio. auf knapp 4,7 Mio. Menschen gefallen. Ganz gleich, wie man dies nun politisch wertet und welche sozial- und beschäftigungspolitischen Forderungen man daraus ableiten möchte, lässt sich jedenfalls feststellen, dass die geringfügige Beschäftigung ein Massenphänomen ist, das (jedenfalls statistisch betrachtet) beinahe jeden zehnten Einwohner Deutschlands und beinahe jeden fünften Arbeitnehmer unmittelbar betrifft.

 

Rz. 3

Der Begriff der geringfügigen Beschäftigung ist ein solcher aus dem Sozialversicherungsrecht. Die geringfügige Beschäftigung hat außerdem lohnsteuerliche Bedeutung. Arbeitsrechtlich ist ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ein (Teilzeit-)Arbeitsverhältnis wie jedes andere Teilzeitarbeitsverhältnis auch. Es gibt keine einzige arbeitsrechtliche Regelung, die nach geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern einerseits und anderen Arbeitnehmern andererseits unterscheidet.

 

Rz. 4

Insbesondere sind sämtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften auch auf geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer anwendbar, also etwa das Urlaubsrecht, das Entgeltfortzahlungsrecht im Krankheitsfall, das Mutterschutz- und Elternzeitrecht, das Kündigungsschutzrecht, das Arbeitszeitrecht, das Mindestlohnrecht, das Tarifrecht, das Betriebsverfassungsrecht usw. Das ist rechtlich unbestritten, auch wenn es in der Praxis bisweilen anders – und dann rechtswidrig – gehandhabt werden mag.

 

Rz. 5

Was eine geringfügige Beschäftigung ist, ergibt sich aus § 8 Abs. 1 SGB IV: Danach liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn

ENTWEDER das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 EUR nicht übersteigt – geringfügig entlohnte Beschäftigung
ODER die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 EUR im Monat übersteigt – kurzfristige Beschäftigung.
 

Rz. 6

Neben den offensichtlichen Tatbestandsmerkmalen geht die Rechtsprechung – vor allem aus gesetzessystematischen Gründen – davon aus, dass die Entgeltgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV eine regelmäßige, die Zeitgeringfügigkeit nach Nr. 2 hingegen eine nur gelegentliche, also gerade nicht regelmäßige Beschäftigung beschreibt.[2] Zahlreiche Revisionsentscheidungen des insoweit zuständigen 12. Senats des BSG beginnen mit dieser Einordnung nach dem Kriterium der Regelmäßigkeit.[3]

 

Rz. 7

Zur Definition der geringfügig entlohnten Beschäftigung zählte früher (bis 31.3.2003) – bei damals noch abweichender Entgeltobergrenze – als weiteres Merkmal auch eine Arbeitszeitobergrenze von seinerzeit weniger als 15 Stunden in der Woche. Ein solches Kriterium besteht heute nicht mehr; die geringfügig entlohnte Beschäftigung ist ausschließlich nach der Lohnobergrenze definiert.[4]

 

Rz. 8

Die beiden Fallgruppen der geringfügigen Beschäftigung unterscheiden sich auch auf der Rechtsfolgenseite, insbesondere im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Handhabung des betreffenden Beschäftigungsverhältnisses (dazu unten Rdn 71 ff.).

 

Rz. 9

Die mit den Prüfungen der Geringfügigkeit befassten Einrichtungen der Sozialver­sicherungsträger haben ihre Verwaltungspraxis in Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien) des GKV-Spitzenverbands, der Deutsche Rentenversicherung Bund, der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und der Bundesagentur für Arbeit – aktueller Stand: 21.11.2018 – zusammengefasst. Diese Geringfügigkeits-Richtlinien sind auf den Internet-Seiten der Sozialversicherungsträger zu finden. Sie werden regelmäßig aktualisiert und bieten eine weitreichende Hilfestellung für zahlreiche Abgrenzungsfragen, die sich in der Praxis stellen. Das BSG weist allerdings in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass sich...

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