Rz. 15

Müdigkeit, nicht nur bei Lkw-Fahrern, ist eine häufige Unfallursache. Kommt es aufgrund von Müdigkeit zu einem Verkehrsunfall, so kann hierin unter Umständen eine Strafbarkeit gem. § 315c Abs. 1 Nr. 1b) begründet liegen.

 

Rz. 16

Starke Müdigkeit hat einen erheblichen nachteiligen Einfluss auf die psycho-physische Leistungsfähigkeit des Menschen. Dies ist in der medizinisch-naturwissenschaftlichen Forschung unumstritten. Übermüdung hat unter anderem eine Verlängerung der Reaktionszeit, eine erschwerte Einordnungsfähigkeit für neu auftretende Situationen sowie Störungen der Aufmerksamkeitsfähigkeit und des Tiefensehens zur Folge.[14]

Ein Kraftfahrer, kann bevor er am Steuer einschläft, häufig deutliche Zeichen der Übermüdung an sich wahrnehmen. Dies beruht auf der in den berufenen Fachkreisen gesicherten Kenntnis, dass ein gesunder, bislang hellwacher und nicht durch den Konsum von Alkohol oder anderen psychoaktiven Substanzen beeinflusster Mensch nicht plötzlich und ohne Vorwarnungen vom Schlaf übermannt wird. Frühsymptome können z.B. Lidschwere, Sehen von Doppelbildern, Fremdkörperreiz in den Augen o.Ä. sein. Schläft der Betroffene gleichwohl ein, so hat er sich entweder über diese Warnzeichen bewusst hinweggesetzt oder er ist der ihm obliegenden Selbstbeobachtung nicht hinreichend nachgekommen.[15]

 

Rz. 17

Zur Annahme einer Strafbarkeit ist allerdings erforderlich, dass die Müdigkeit die Schwelle der Fahruntauglichkeit erreicht. Nicht jede Müdigkeit ist daher "strafbar".[16] Dies setzt stets eine Prüfung im Einzelfall voraus. Dies ist der Ansatz der Verteidigung

 

Rz. 18

Muster 27.5: Keine Strafbarkeit wegen Müdigkeit

 

Muster 27.5: Keine Strafbarkeit wegen Müdigkeit

Nach Akteneinsicht und Besprechung der Angelegenheit lässt sich mein Mandant wie folgt zur Sache ein:

Meinem Mandanten wird eine fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung zur Last gelegt, weil er aufgrund von Müdigkeit fahruntauglich gewesen sei und deshalb auf das Fahrzeug des Geschädigten auffuhr und einen Schaden in Höhe von 1.500 EUR netto verursachte.

Es mag sein, dass mein Mandant kurzzeitig müde wurde und infolge dessen auf den Pkw des Geschädigten auffuhr. Deshalb war er jedoch nicht fahruntauglich, denn nicht jede Müdigkeit ist "strafbar". Vielmehr ist immer der konkrete Einzelfall zu betrachten (Quarch, SVR 2009, 215).

Der Vorfall ereignete sich um 20.50 Uhr am Wochenende. Mein Mandant arbeitet seit mehr als 30 Jahren im Dreischichtsystem beim Automobilbauer W. Er ist es gewohnt, von der Früh- in Spät- und Nachtschicht zu wechseln. Er kommt seit Jahrzehnten damit klar, sich auf die verschiedenen Schlafrhythmen einzustellen. Mein Mandant hatte hiermit nie Probleme.

Der Vorfall ereignete sich während einer sogenannten "Freischicht". Das bedeutet, mein Mandant musste nicht arbeiten. Er hatte die Möglichkeit an diesem Tag auszuschlafen und hat diese auch genutzt. Er hatte sogar mittags noch kurz geschlafen. Als mein Mandant dann mit seinem Auto losfuhr, fühlte er sich ausgeschlafen. Es deutete nichts auf Müdigkeit hin. Eine Müdigkeit, die zu einer Fahruntauglichkeit im Sinne des § 315c StGB führt, ist deshalb nicht gegeben.

Ich beantrage daher, das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.

[15] BGH NJW 1970, 520.
[16] AG Aachen Beschl. v. 23.2.2007 – 41Gs 421/07 – juris; Quarch, SVR 2009, 215.

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