Rz. 20

Die sieben "Todsünden", auf die nachfolgend genauer eingegangen werden soll, müssen grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangen worden sein. "Grob verkehrswidrig" betrifft dabei die objektive Seite und "rücksichtslos" die subjektive. Durch das Wort "und" wird klargestellt, dass beide Merkmale kumulativ und nicht alternativ vorliegen müssen.

 

Rz. 21

Grob verkehrswidrig handelt dabei, wer objektiv besonders gefährlich gegen Verkehrsvorschriften verstößt, die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt, was nicht selten schwerwiegende Folgen hat.[17]

 

Rz. 22

Rücksichtslos handelt, wer sich im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder wer aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens darauf losfährt.[18] Gefordert wird ein überdurchschnittliches Fehlverhalten, dass von einer besonderen verwerflichen Verkehrsgesinnung geprägt sein muss.[19]

 

Rz. 23

Die grobe Verkehrswidrigkeit und die Rücksichtslosigkeit müssen dabei gleichzeitig vorliegen.[20]

 

Rz. 24

Ein Augenblicksversagen genügt nicht,[21] ebenfalls nicht bloße Unaufmerksamkeit oder die auf menschlichem Versagen beruhende irrige Beurteilung einer Verkehrslage.[22] Auch ein lediglich gefährlicher Verstoß gegen die Straßenverkehrspflichten reicht nicht aus, wenn eine Fehleinschätzung des Fahrzeugführers vorliegt, der für sich genommen ein bloßes Augenblicksversagen darstellt.[23] Nur dann, wenn dem Täter nicht nur die die Gefährlichkeit begründenden Umstände bekannt, sondern ihm auch die Gefährlichkeit der Situation bewusst gewesen war, kann von einem gefährlichen Verstoß gegen die Straßenverkehrspflichten auch auf Rücksichtslosigkeit geschlossen werden.[24]

 

Rz. 25

Muster 27.6: Augenblicksversagen, Fahrlässigkeit

 

Muster 27.6: Augenblicksversagen, Fahrlässigkeit

Zwar hat mein Mandant die Lichtzeichenanlage bei Rotlicht überfahren. Er ging jedoch versehentlich davon aus, diese zeige für ihn "grün", er dürfe also fahren. Es kam dann im Kreuzungsbereich zum Zusammenstoß mit dem Geschädigten, der Vorfahrt gehabt hätte.

Eine Strafbarkeit gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2a StGB liegt gleichwohl nicht vor. Der Verkehrsverstoß muss nämlich grundsätzlich grob verkehrswidrig und rücksichtslos sein. Selbst wenn man noch annehmen könnte, dass das Überfahren der Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage grob fahrlässig war, war das Verhalten jedenfalls nicht rücksichtslos. Rücksichtslos handelt, wer sich im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder wer aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens darauf losfährt (BGHSt 5, 392; OLG Koblenz DAR 1989, 241). Gefordert wird ein überdurchschnittliches Fehlverhalten, dass von einer besonderen verwerflichen Verkehrsgesinnung geprägt sein muss (OLG Karlsruhe VRS 107, 292; OLG Köln zfs 1996, 245).

Hier ist allenfalls von einem Augenblicksversagen auszugehen, welches das Tatbestandsmerkmal der Rücksichtslosigkeit nicht erfüllt (OLG Stuttgart DAR 1976, 23; OLG Bamberg 2010, SVR 300).

Zu berücksichtigen ist nämlich, dass auch der sorgsame Verkehrsteilnehmer von schweren Fehlern im Straßenverkehr nicht gefeit ist. Dies ist in der Gesamtschau und bei der Würdigung des Verkehrsverstoß mit zu berücksichtigen.

[17] OLG Köln zfs 1992, 68.
[18] BGHSt 5, 392; OLG Koblenz DAR 1989, 241.
[19] OLG Karlsruhe VRS 107, 292; OLG Köln zfs 1996, 245.
[21] OLG Stuttgart DAR 1976, 23; OLG Bamberg 2010, SVR 300.
[22] OLG Düsseldorf zfs 2000, 413; OLG Karlsruhe zfs 2008, 349; weitere Beispiele auch bei Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. § 315c StGB Rn 19 f.
[24] BayObLG VRS 64, 123.

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