Rz. 285

Der Erblasser hat nach österreichischem Recht relativ weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten – auch wenn diese nicht überall so weit sind wie im deutschen Recht.

Er kann eine oder mehrere Personen zu Erben einsetzen (Erbseinsetzung).
Erbteilungsanordnungen treffen und den testamentarischen Erben bestimmte Vermögensgegenstände (Immobilien, Unternehmen, etc.) zuweisen.
Er kann Ersatzerben einsetzen (bis 2015: "gemeine Substitution", §§ 604 ff. ABGB). Gem. § 605 ABGB treten auch ohne entsprechende Anordnung die Abkömmlinge eines vorverstorbenen Kindes des Erblassers als Ersatzerben an dessen Stelle. Soll also die Ersatzerbschaft der Abkömmlinge ausgeschlossen werden, so muss diese ausdrücklich erfolgen.
§§ 608 ff. ABGB ermöglicht die Einsetzung von Nacherben (bis 2015: fideikommissarische Substitution). Nacherbfolge tritt auch bei bedingter oder befristeter Erbeinsetzung ein, §§ 707 f. ABGB (konstruktive Nacherbfolge). § 612 ABGB beschränkt die Anzahl der Nacherbfälle für beim Erbfall noch nicht lebende Personen bei beweglichen Gütern auf zwei, bei unbeweglichen Sachen auf einen Nacherbfall.
Bei der Nacherbschaft auf den Überrest ist der Vorerbe befreit, er kann sogar unentgeltlich über den Nachlass verfügen – vorbehaltlich des Falls der arglistigen Schmälerung (§ 609 ABGB).
Das Vermächtnis begründet einen schuldrechtlichen Anspruch des Legatars gegen die Erben, § 684 ABGB. Das Vorausvermächtnis (Prälegat) zugunsten eines Erben belastet alle Erben. Zulässig ist auch die Ernennung von Vor- und Nachlegataren.
Die durch Testament oder Kodizill angeordnete Auflage regelt das österreichische Recht in § 709 ff. ABGB. Bei Nichterfüllung der Auflage gilt die Zuwendung als verwirkt (auflösende Bedingung).
Gem. § 816 ABGB kann der Testator einen "Vollzieher seines letzten Willens ernennen. Dieser hat die Durchführung des letzten Willens des Erblassers zu betreiben (Überwachungsfunktion). Der Testamentsvollstrecker hat nach österreichischem Recht aber keine Verfügungsbefugnisse. Hat der Erblasser ihn ausdrücklich mit der Verwaltung und Vertretung des Nachlasses betraut, so kann das Verlassenschaftsgericht ihn zum Nachlasskurator bestellen (verwaltender Testamentsvollstrecker). Selbst der verwaltende Testamentsvollstrecker schließt aber die Erben nicht von der Verfügung nicht aus.[153]"
Erbeinsetzung und Vermächtnisse können mit Befristungen und Bedingungen versehen werden.
Gem. § 776 ABGB (bis zur Erbrechtsreform 2015: § 773a ABGB) kann der Erblasser das Pflichtteil eines Kindes testamentarisch auf die Hälfte reduzieren, wenn er mit dem Kind nie in einem familiären Naheverhältnis gestanden hat (Pflichtteilsminderung). Neu eingeführt durch die Erbrechtsreform 2015 ist, dass es nun für die Pflichtteilsminderung auch reicht, wenn der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte "zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht". Dadurch reduziert sich der Pflichtteil z.B. eines Kindes auf ¼ seines gesetzlichen Erbteils. Ein Naheverhältnis ist bereits gegeben, wenn der Vater über seine Rolle als "Zahlvater" hinaus die nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme erkennen ließ. Dies dürfte wohl bereits gegeben sein, wenn er mit der Mutter nach der Geburt noch zusammenlebte. Hauptanwendungsfall ist daher der uneheliche Abkömmling. Die Neufassung von 2015 ermöglicht nun auch theoretischen die Pflichtteilsminderung bei anderen Pflichtteilsberechtigten, also z.B. dem Ehegatten.
Der Erblasser kann durch Testament die Stundung eines Pflichtteilsanspruchs auf 5 Jahre anordnen (§ 766 ABGB, dazu auch oben Rdn 279).
Durch Testament kann eine Stiftung angeordnet werden.
[153] Zur Testamentsvollstreckung ausführlich Ferrari, Testamentsvollstreckung nach österreichischem Recht, in: Löhnig/Dutta/Gottwald/Grziwotz/Henrich/Reimann/Schwab, Testamentsvollstreckung in Europa, 2018, S. 95.

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